Der glatte Durchmarsch des Neuen

Berlin · Pragmatisch und ein Freund der leisen Worte: So stellt sich der neue DGB-Chef Hoffmann auf dem Bundeskongress vor. Die Delegierten trauen dem Neuling auf dem Berliner Parkett zu, große Fußstapfen auszufüllen.

Eine Überraschung war die Wahl von Reiner Hoffmann zum neuen Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wahrlich nicht. Bereits gut ein Jahr vor dem Bundeskongress hatten die Vorsitzenden der acht DGB-Einzelgewerkschaften die Köpfe zusammengesteckt und den 58-Jährigen einmütig zum Nachfolger von Michael Sommer (62) an der DGB-Spitze ausgeguckt.

Bei der offiziellen Hoffmann-Wahl war dann aber im neuen Berliner Messe-Kongress-Center doch noch ein bisschen Aufregung zu spüren. Als sich der neue DGB-Chef bei den rund 400 Delegierten für den großen Vertrauensbeweis von 93,1 Prozent bedanken wollte, fand er das Mikrofon nicht. Sein Satz: "Ja, ich nehme die Wahl an" ging im Beifall und Saal-Gemurmel völlig unter. Vor seiner Kür hatte sich Hoffmann bereits seit Anfang Februar als einfaches Mitglied des DGB-Bundesvorstandes warm laufen können - eine Lehrzeit, die der frühere nordrhein-westfälische Bezirksleiter der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) als überaus hilfreich empfand.

Hoffmann, bislang vor allem auf europäischer Gewerkschaftsebene in Brüssel aktiv und in Berlin ein absoluter Neuling, nutzte die Monate, um politische Kontakte zu Parteien wie Arbeitgebern zu knüpfen. Seinem beim Abschied sichtlich gerührten Amtsvorgänger Sommer versprach Hoffmann, begonnene Arbeiten fortzuführen - aber auch Neues auf die Agenda zu setzen. Zehn Jahre hatte Sommer für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gekämpft. Das nächste DGB-Kampagnen-Ziel wirft bereits Schatten voraus: Die Ausdehnung der Mitbestimmung auch auf mittelständische und kleinere Unternehmen. An der DGB-Spitze hat Hoffmann die häufig sehr unterschiedlichen Interessen der acht Einzelgewerkschaften zu bündeln und diese als politisches Sprachrohr gegenüber Regierung und Öffentlichkeit zu vertreten und durchzusetzen. Hoffmann, eigentlich ein Pragmatiker und Freund der leisen Worte, hat aber auch schon öffentlich deutlich gemacht, dass er durchaus eigene Akzente setzen will - und nicht immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner im Gewerkschaftslager im Blick hat.

Politisch verspüren die Gewerkschaften derzeit mehr Rücken- als Gegenwind. Die jüngsten Tarifabschlüsse brachten durchweg reale Lohnsteigerungen. Der Mindestlohn ist so gut wie unter Dach und Fach - auch wenn der DGB noch mit den Ausnahmeregelungen hadert. Mit der abschlagfreien Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren werden - so Ex-DGB-Chef Sommer - "wenigstens die schlimmsten Auswüchse der Rente mit 67 und der Agenda-Politik von Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder gelindert". Andere wichtige DGB-Anliegen, wie die Eindämmung von Leiharbeit und Werkverträgen, sind noch längst nicht so sicher. Allerdings lassen die Koalitionäre Union und SPD auch hier Bewegung erkennen.

Der Neue an der DGB-Spitze kann vor allem auf den Rückhalt der beiden großen Einzelgewerkschaften bauen, der IG Metall und der links orientierten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Das gute Stimmerergebnis für das SPD-Mitglied Hoffmann wie auch das seiner DGB-Stellvertreterin Elke Hannak (88,1 Prozent), die der CDU angehört, gelten nicht nur als Vertrauensvorschuss. Sie sind als Beleg zu werten, dass die acht DGB-Gewerkschaften in schwieriger Zeit enger zusammenrücken.

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