Aufruhr an Finanzmärkten bleibt aus

Frankfurt/Athen · Noch vor einigen Jahren spielten Aktien- und Anleihenmärkte bei jeder neuen Entwicklung in Griechenland verrückt. Diesmal ist die Lage ganz anders: Obwohl ein erklärter Gegner des Spar- und Reformkurses Regierungschef ist, blieb Nervosität aus.

Der historische Machtwechsel in Griechenland hat die europäischen Finanzmärkte gestern weitgehend kalt gelassen. Der deutsche Aktienmarkt setzte sogar seinen Rekordlauf fort. Auch an den europäischen Anleihemärkten blieben Turbulenzen aus, anders als während der Höhepunkte der Euro-Schuldenkrise. Der Euro zeigte sich stabil. Selbst der zeitweise um gut fünfeinhalb Prozent eingeknickte griechische Leitindex ASE holte einen guten Teil seiner Verluste wieder auf. Die Partei des neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt die Reform- und Sparprogramme ab, zu denen sich Griechenland im Gegenzug zu Milliardenhilfen verpflichten musste.

Der deutsche Leitindex Dax erreichte zum Handelsschluss sogar einen neuen Spitzenwert von fast 10 800 Punkten. Schon in der Vorwoche hatte das Barometer der 30 wichtigsten deutschen Aktienwerte bereits fast fünf Prozent zugelegt. Auch der EuroStoxx 50 verbesserte sich und steuerte damit wieder auf den am Freitag erreichten höchsten Stand seit 2008 zu.

Börsianer seien anhaltend euphorisiert von der billionenschweren Geldspritze, die die Europäische Zentralbank (EZB) in der Vorwoche verabreicht habe, sagte Marktanalyst Andreas Paciorek vom Broker CMC Markets. "Der Sieg der Syriza bedeutet nicht den Austritt Griechenlands aus der Eurozone ", betonten die Analysten der VP Bank. Tsipras wolle sein Land in der Eurozone halten.

Am griechischen Anleihemarkt stieg die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen um etwa 0,4 Prozentpunkte auf rund 8,6 Prozent. Im Euroraum war das die mit Abstand stärkste Bewegung. In Italien und Spanien gerieten Staatstitel nur leicht unter Druck. Die Renditen ergeben sich bei Staatsanleihen aus dem Wechselspiel von Kursen und Zinssätzen und signalisieren damit den Preis, den Staaten für neue Schulden am Kapitalmarkt zahlen müssen. In den Jahren 2010 bis 2012, als die Euro-Schuldenkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte, waren diese Renditen noch dramatisch in die Höhe geschossen.

Am Markt für Kreditausfallversicherungen (CDS), mit denen ein Ausfall von Staatsanleihen abgesichert werden kann, stiegen nur die Preise für griechische Schuldtitel nennenswert an. CDS (Credit Default Swaps) auf italienische und spanische Anleihen fielen dagegen im Preis. Auch das zeigt, dass die Anleger vorerst kühlen Kopf bewahrten.

Analyst Markus Huber von Peregrine & Black sagte, Anleger ignorierten den Wahlausgang vorerst, bis in den nächsten Wochen und Monaten ernsthafte Verhandlungen zwischen Athen und der "Troika" der internationalen Geldgeber starten. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem zeigte sich gesprächsbereit, machte aber deutlich, dass es für einen Forderungsverzicht gegenüber Athen nicht viel Unterstützung gebe. Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) hatten Griechenland bislang - gegen strenge Sparauflagen - mit Darlehen in Höhe von rund 240 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen.

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