Andersen, anders

Saarbrücken · Einen „Kindergeburtstag auf Drogen“ verspricht Christoph Diem, Leiter der Sparte 4, für seine Inszenierung von Andersens „Der standhafte Zinnsoldat“. Die Musik kommt, wie schon bei „Das kalte Herz“, von der schwedischen Band „Next Stop: Horizon“.

 Regisseur Christoph Diem im Maul des Haifischs – ist es der nämliche Fisch, der den armen Zinnsoldaten verschluckt? Auch hier gilt: Man weiß es nicht. Foto: Kerstin Krämer

Regisseur Christoph Diem im Maul des Haifischs – ist es der nämliche Fisch, der den armen Zinnsoldaten verschluckt? Auch hier gilt: Man weiß es nicht. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Ein Schauspiel ? Ein Spiel im Spiel? Ein Märchen für Erwachsene? Ein Singspiel mit Ballett oder ein musikalisches Ballett mit Schauspiel ? Man weiß es nicht. Sicher ist nur: Es wird eine Produktion mit 1000 Fragezeichen, die keinen Anspruch auf Plausibilität erhebt und ihrem Regisseur genau deswegen sichtlich Spaß bereitet. Wie inszeniert man Figuren ohne Motivation? Wie stellt man Spielzeug dar?

In der Alten Feuerwache bringt Christoph Diem Hans Christian Andersens Märchen "Der standhafte Zinnsoldat" auf eine Bühne, in der Spielzeug zu nächtlicher Stunde außer Rand und Band gerät. Spielzeug, das nicht optimal funktioniert: Die Kanarienvögel zwitschern schlecht gelaunt, die Batterien der Roboter schwächeln, und der wackere kleine Zinnsoldat hat nur ein Bein. In einer Balletttänzerin aus Papier findet er seine große Liebe und wird im Tode mit ihr vereint - wahnsinnig romantisch, doch bis dahin spielt das Schicksal dem Soldaten übel mit. Ist das ungerecht? "Dieser Soldat ist ein Krüppel und ein Streber, mit solchen Typen geht die Gesellschaft eben hart um", meint Diem, den an der Geschichte das Fehlen jeglicher Empathie fasziniert. Die Menschen wollen unterhalten werden, das Spielzeug will unterhalten - irgendwie gnadenlos.

Sind Puppen die besseren Künstler? Dass der Zinnsoldat hier Kleist zitiert, stimmt bedenklich. Diem inszeniert einen "Kindergeburtstag auf Drogen" - "handwerklich komplex, sehr lustig, sehr trashig" - ohne jegliche Psychologisierung. "Es geht um eine Begegnung der kleinen und großen Welt, bei der Spielzeug und Menschen keine Strategien haben", erläutert Diem seinen Makroblick. Eine zusätzliche fiktive Ebene zieht er per Video ein: Ein Film zeigt den Tag des Vaters, nachdem dieser seinen kleinen Sohn an seinem Geburtstag im großbürgerlichen Haushalt alleine gelassen hat. Auch dem Papa widerfährt Unangenehmes - eine Art Spiegel der Ereignisse um den Zinnsoldaten, die beiden Parallelwelten verzahnen sich.

Hat das etwas mit Voodoo zu tun? Auf jeden Fall mit Schadenfreude. Für die Akteure wird das Stück physisch anstrengend. "Auch mal ganz schön", findet Diem, "ich mach ja sonst immer so Rumhock-Theater." Stattdessen verspricht er nun "eine wirklich krude Veranstaltung mit ziemlich viel Tränen und Herzblut, einen Zusammenprall der Ebenen und Formen". Die Live-Musik dazu kommt, wie schon bei "Das kalte Herz", von der schwedischen Band "Next Stop: Horizon". Per Hagström, der zusammen mit Jenny Roos den Soundtrack geschrieben hat, habe, lobt Diem, dem Stoff einen "metaphysischen Ernst" abgerungen.

Premiere: Sonntag, 19.30 Uhr, Alte Feuerwache. Karten: Tel. (06 81) 309 24 86. Infos: www.theater-saarbruecken.de

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