„Wir sind aufeinander angewiesen“

Über 1000 Autoren haben gegen die gezielte Preispolitik von Onlinehändler Amazon protestiert. Über das schwierige Verhältnis von Autoren und Amazon sprach Josef Haslinger, Chef der deutschen Schriftstellervereinigung PEN, mit dpa-Mitarbeiterin Teresa Fischer.

Warum haben die deutschen Autoren den offenen Brief an Amazon geschrieben?

Haslinger: Wir wurden durch die amerikanischen Autoren auf die Sache aufmerksam gemacht. Es gab ja deren Brief, der zahlreich und prominent unterschrieben war. Da haben sich auch bei uns Autoren zu Wort gemeldet, denen bekannt war, dass das Problem auch bei uns existiert. Sie haben zunächst den Brief übersetzt und für deutsche Verhältnisse adaptiert. Und tatsächlich hat sich herausgestellt, dass es bei uns viele Autoren gibt, die auf einen solchen Protest geradezu gewartet haben. Innerhalb weniger Tage kamen tausend Unterschriften zusammen.

Aber Amazon kann die Buchpreisbindung nicht aufheben.

Haslinger: Amazon kann sie nicht aufheben, versucht aber beständig, an andere Preise zu kommen, als sie im Buchhandel angeboten werden. Das ist ein permanenter Versuch der Profitmaximierung.

Mit "Self-publishing" (Selbstverlag) fördert Amazon doch auch junge Autoren.

Haslinger: Amazon sorgt eher dafür, dass sie auf dem Abstellgleis landen. Wann haben Sie je im Feuilleton eine Rezension über ein Buch gelesen, das nur bei Amazon erschienen ist? Man ist von vornherein in einem relativ amateurhaften Ambiente gelandet. Zwar kommt man leicht zu einer Veröffentlichung, aber man wird von der seriösen Buchkritik nicht beachtet.

Gibt es einen Austausch zwischen Amazon und Autoren?

Haslinger: Nein. Aber ich weiß von vielen Autoren, dass sie auf der Amazon-Webseite nachschauen, welche Kommentare zu ihren Büchern abgegeben werden oder an welcher Verkaufsstelle sie stehen. Insofern ist Amazon ein gewisser Marktindikator.

Denken Sie, dass die Autoren mit ihrem Brief etwas bewirken können?

Haslinger: Der Brief wird ernst genommen werden. Der Konzern muss in der Buchbranche um sein Image bemüht sein, er hat ja in Europa einen Zukunftsmarkt, der bei Weitem nicht ausgeschöpft ist. Und so ist anzunehmen, dass der Brief der Autoren auch in der Konzernspitze wahrgenommen wird. Und wenn Amazon meint, die Praxis beibehalten zu müssen, Autoren für nicht gelungene Geschäftsverträge in Geiselhaft zu nehmen, sind ja durchaus auch noch weitere Schritte denkbar.

Welche Schritte wären das?

Haslinger: Ich denke, das wird in Ruhe überlegt werden. Bei Amazon wird die Arbeitskraft der Autoren gehandelt. Deshalb können Autoren auch Druck machen, sie sind auch ein ökonomischer Faktor.

Wird sich das Verhältnis zwischen Autoren und Amazon wieder normalisieren?

Haslinger: Wir sind ja aufeinander angewiesen: Wir Autoren, dass Bücher verkauft werden, und Amazon , dass sie von Autoren und Verlagen mit Büchern beliefert werden. Wenn die Verlage mit Amazon zufrieden sind, sind es letztlich die Autoren auch. Die Zusammenarbeit von Autoren und Verlagen ist geprägt von einem Vertrauensverhältnis. Man weiß, was man für ein Buch erwarten kann und welchen Vertrag man bekommt. Das gibt den Autoren Sicherheit. Durch die neuen Verhandlungen von Amazon mit den Verlagen wird dieses Vertrauensverhältnis infrage gestellt. Autoren stehen unter Stress, wenn ständig neue Verträge zu schließen und neue Bedingungen auszuhandeln sind. Ich glaube, diese völlige Verkommerzialisierung von Kulturgütern ist es, die letztlich zur Debatte steht.

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Zur PersonJosef Haslinger, 59, ist Autor, Professor und seit 2013 Präsident der Schriftstellervereinigung PEN-Deutschland. Er wurde mit dem Thriller "Opernball" über einen Terroranschlag auf das Wiener Großereignis bekannt. dpa

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