Wind holt gegen Atomenergie auf

Saarbrücken · Weltweit wird fast so viel Energie aus Windkraft erzeugt wie aus Atomkraftwerken. Ein Beleg für eine erfolgreiche Energiewende? Es gibt auch noch viele Probleme, zeigt ein Energie-Kongress in Saarbrücken.

 Windkraft gilt als eine tragende Säule der Energiewende in Deutschland. Foto: Seeger/dpa

Windkraft gilt als eine tragende Säule der Energiewende in Deutschland. Foto: Seeger/dpa

Foto: Seeger/dpa

"Ist die Energiewende auf gutem Weg?" Diese provokante Frage war das Motto des Energiekongresses gestern in Saarbrücken . Für Uwe Leprich, stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Zukunftsenergiesysteme (Izes), das den Kongress veranstaltet hat, lautet die Antwort ganz klar: "Ja!" Die Energiewende sei längst ein globales Phänomen geworden. Weltweit würden Wind- und Photovoltaik-Anlagen (PV) gebaut, in China und den USA deutlich mehr als in Deutschland. Von der Kapazität habe die weltweite Windkraft mit 432,5 Gigawatt mittlerweile sogar die Atomkraft mit 440 Gigawatt fast eingeholt, sagt Leprich. "Und das ist erst der Anfang dessen, was weltweit noch passieren wird." Die Atomenergie , die aktuell mit knapp 440 Reaktoren in 30 Ländern produziert wird, werde letztlich global eine Randerscheinung bleiben.

Eine Bilanz der Energiewende sollte auf dem Kongress gezogen werden, so hatte Leprich es angekündigt. Und das heißt natürlich auch, den Finger in die Wunde zu legen, wenn es hakt. Frithjof Staiß vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, sieht mit Blick auf die Klimaziele Defizite bei der Wärme-Einsparung und den Kfz-Emissionen. "Bei Gebäuden und Verkehr müssen wir unsere Schrittgeschwindigkeit erhöhen." Kaufprämien für E-Autos, Strafaufschläge bei Spritfressern, teurere Brennstoffe - ohne solche Steuerungsmechanismen werde das Ziel, 40 Prozent CO{-2} bis 2020 einzusparen, kaum möglich sein. Höchstens 33 Prozent seien realistisch.

Fehler im System sieht auch Martin Beckmann, Leiter Recht bei der Enertrag AG - ein Unternehmen, das Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien produziert. Beckmann hält es für kontraproduktiv, Windräder bei Überproduktion aus dem Wind zu drehen. "Stattdessen wäre es sinnvoll, den Überschuss-Strom beispielsweise in Wasserstoff zu wandeln und damit Brennstoffzellen zu betreiben." Bisher sei dies allerdings nicht erlaubt.

Ähnlich sieht es Martin Rühl, Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfhagen. Diese haben mittlerweile eine Überproduktion an erneuerbaren Energien. In Spitzenzeiten ließen sich damit beispielsweise Wärmepumpen betreiben, um so fossile Brennstoffe zu sparen. Doch wegen der EEG-Umlage und der Netzentgelte sei dies wirtschaftlich nicht möglich. "Hier sollte die Politik nachsteuern."

Izes-Wissenschaftlerin Eva Hauser wiederum sprach sich vehement gegen den zunehmend im Internet propagierten Einsatz von Solar-Strom zum Heizen aus. Das sei ökologischer Unsinn, da gerade im Winter der Solar-Strom dringend im Stromnetz gebraucht werde.

Komplett infrage stellte die Energiewende Volkswirtschaftler Niko Paech von der Universität Oldenburg. Denn ein gewünschtes "grünes Wachstum" bei gleichzeitig sinkenden CO{-2}-Werten sei unrealistisch. Zwar möge es richtig sein, dass vor Ort durch mehr Wind- und Solar-Strom der CO{-2}-Ausstoß sinke: "Wenn die Menschen dann aber durch zunehmenden Wohlstand auch mehr konsumieren, wird der Ausstoß nur verlagert", sagt Paech. Sei es durch die Flugreise, die stets neueste Technik, immer neue Produkte. "Wir brauchen die Energiewende dringend", sagt Paech. Die sei aber nur möglich in einem ökonomischen Modell, das stets steigendem Wachstum und Wohlstand abschwört.

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