Streitfälle ohne Klage lösen

Berlin · Nicht jede Streitigkeit zwischen Nachbarn gehört gleich vor ein staatliches Gericht. Das gilt auch bei Problemen mit Handwerkern und Händlern. Es gibt andere Wege der Konfliktbeilegung, wie etwa Schlichtung und Schiedsverfahren.

 Ein Streit muss nicht gleich vor Gericht landen. Oft bieten sich auch Schlichtungsverfahren an. Foto: Wüstenhagen/dpa

Ein Streit muss nicht gleich vor Gericht landen. Oft bieten sich auch Schlichtungsverfahren an. Foto: Wüstenhagen/dpa

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Gründe für einen Streit mit Nachbarn gibt es viele. Lärmbelästigung, Küchengerüche oder Äste und Zweige, die über den Gartenzaun hängen, sind nur einige davon. Nicht selten landen solche Fälle vor Gericht. "Solche Streitigkeiten gehören aber nicht primär vor ein staatliches Gericht", sagt Bodo Winter vom Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen (BDS).

Winter verweist auf das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung. Daraus geht hervor, dass etwa bei Nachbarschaftskonflikten erst dann Klage erhoben werden kann, wenn von einer sogenannten Gütestelle, die nach Landesrecht anerkannt ist, versucht wurde, den Konflikt einvernehmlich beizulegen. Diese Regelung ist in zehn Bundesländern verpflichtend, auch im Saarland.

Berlin und Thüringen haben zwar ebenfalls entsprechende Landesgesetze, aber dort ist ein Schlichtungsverfahren in Nachbarrechtsstreitigkeiten nicht zwingend vorgeschrieben. Keine Regelungen gibt es in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Bremen.

"Schlichtungsverfahren haben den Vorteil, dass in vielen Fällen schnell und unbürokratisch eine Lösung erzielt werden kann", sagt Bodo Winter. Das Verfahren kostet im Schnitt 50 Euro. Somit ist es oft mit Abstand billiger als ein Gerichtsprozess. Geleitet wird ein Schlichtungsverfahren durch ehrenamtliche Schiedsleute. "Oft handelt es sich bei ihnen um juristische Laien, die in der jeweiligen Kommune gewählt, von den Gerichten ernannt und vom Verband Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen geschult werden", erläutert Winter.

Die Arbeit von Schlichtungsstellen ist staatlich anerkannt. Das Ordnungsamt, die Polizei oder das Amtsgericht können Adressen von Schiedsleuten benennen. Bei einem Vorgespräch wird ausgelotet, ob ein Schiedsmann oder eine Schiedsfrau für einen Fall zuständig ist. Ist dies der Fall, muss ein Antrag auf ein Schlichtungsverfahren gestellt werden. Das verläuft unbürokratisch. Der Antrag enthält den Namen und die Anschrift der zerstrittenen Parteien sowie den Anlass des Streites. Er kann der Schiedsperson schriftlich eingereicht oder ihr mündlich zu Protokoll gegeben werden. Die Schiedsperson setzt einen Termin fest, zu dem beide Parteien erscheinen müssen. In der Regel ist das schon nach wenigen Tagen möglich. Bleibt einer der Betroffenen ohne nachvollziehbare Entschuldigung weg, kann der Schiedsmann ein Ordnungsgeld verhängen.

Beim Schlichtungsverfahren wird ausschließlich mündlich verhandelt. Die Parteien haben dabei auch die Gelegenheit, sich auszusprechen. Es zeichnet die Schiedsfrauen und -männer aus, dass sie sich genügend Zeit nehmen, genau zuhören, und versuchen, den Streit beizulegen. Ist man sich einig, wird ein Vergleich geschlossen, den beide Parteien unterschreiben. Dadurch ist der Vergleich rechtswirksam. Ein Papierkrieg findet also nicht statt. Die kurze Verfahrenszeit ist ein großer Vorteil gegenüber einem Prozess vor Gericht.

Scheitert die Konfliktlösung jedoch, haben die Parteien immer noch die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen. Das Amtsgericht Lebach informiert darüber, dass Schiedsfrauen und Schiedsmänner auch die erste Anlaufstelle für die Delikte Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Bedrohung sowie Verletzung des Briefgeheimnisses sind: "Hier ist eine Schiedsverhandlung vor dem Einreichen einer Privatklage zwingend vorgeschrieben." Die Erfahrung zeigt, dass über die Hälfte der Fälle durch eine rechtsverbindliche Schlichtung beigelegt wird. Die Gerichte müssen dann nicht mehr bemüht werden, was auch Prozesskosten spart.

Auch bei anderen Streitigkeiten kann eine Schlichtung zu einer schnellen Einigung führen. Wer als Verbraucher beispielsweise Rechte gegenüber einem Unternehmer geltend machen möchte, muss ihn nicht gleich verklagen. Er kann sich kostenlos an eine Verbraucherschlichtungsstelle wenden. Neben den branchenspezifischen Gütestellen der Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände, die Lösungen bei Konflikten zwischen Handwerkern und Kunden suchen, haben Verbraucher seit April 2016 auch die Möglichkeit, Hilfe bei der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle zu suchen. Die vom Bundesjustizministerium anerkannte Institution hat ihren Sitz in Kehl am Rhein. Auch Online-Händler, die in einem EU-Staat ansässig sind und mit ihren Kunden Verträge im Internet abschließen, müssen neuerdings auf ihrer Seite auf eine Plattform zur Streitbeilegung verweisen.

In bestimmten Fällen ist es für Verbraucher sinnvoll, ein Schiedsgutachten einzuholen. Das ist nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Köln etwa bei Gewährleistungsstreitigkeiten nach einem Hausbau der Fall. Das Gutachten soll klären, ob ein Produkt Mängel aufweist. Erstellt wird es beispielsweise von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Er wird von beiden Seiten gemeinsam beauftragt. Wenn nichts anderes vereinbart ist, tragen beide Seiten die Kosten je zur Hälfte.

Eine weitere Form der außergerichtlichen Streitbeilegung ist die Schiedsgerichtsbarkeit (SGK). Ein SGK-Verfahren wird oft bei einem Konflikt zwischen zwei Firmen aus unterschiedlichen Staaten eingeleitet, erklärt der Berliner Jura-Professor Gerhard Wagner. Da die Firmen aufgrund ihrer unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme Probleme haben, ein neutrales staatliches Gericht zu finden, können sie sich auf ein Schiedsgericht einigen.

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Zum Thema:

Die Kosten eines Schiedsverfahrens Die Gebühr für die Schlichtungsverhandlung beträgt 20 Euro. Die Kosten für einen Vergleich liegen bei 15 Euro. Diese Gebühr kann bis auf das Doppelte erhöht werden. Auch können noch Auslagen der Schiedsperson anfallen. Vor dem Verfahren wird ein Kostenvorschuss erhoben.

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