Tiere Auch Haustiere leiden unter Demenz

Berlin · Nicht nur Menschen werden immer älter, sondern auch Haustiere. Damit nehmen bei den Vierbeinern Wehwehchen und Altersleiden zu. Es stellt sich immer stärker heraus, dass auch das Gehirn Probleme machen kann.

 Die 21-jährige Katze Susi sitzt auf dem Schoß ihrer Besitzerin Christiane Albrecht. Nicht nur Menschen werden immer älter, sondern auch Haustiere. Damit nehmen Altersleiden zu. Dazu zählt auch bei Tieren Demenz.

Die 21-jährige Katze Susi sitzt auf dem Schoß ihrer Besitzerin Christiane Albrecht. Nicht nur Menschen werden immer älter, sondern auch Haustiere. Damit nehmen Altersleiden zu. Dazu zählt auch bei Tieren Demenz.

Foto: dpa/Daniel Reinhardt

(dpa) Die Katze Susi ist schon 21 Jahre alt. Für Katzen ist das ein nahezu biblisches Alter. Daher verwundert es nicht, dass Susi nicht mehr so schnell gehen kann wie in früheren Jahren, dass sie beim Treppensteigen Hilfe braucht und viel seltener vor die Tür geht als früher. Arthritis macht ihrer Hüfte arg zu schaffen. Und sie ist dement — möglicherweise. Für eine genaue Diagnose müsste man mit ihr sprechen können.

Die Menschen in Deutschland haben mehrere Millionen Haustiere, vor allem Hunde und Katzen. Wie ihre Frauchen und Herrchen werden auch die Tiere immer älter. Susis Beispiel zeigt, dass Gebrechen des Alters auch zunehmend Tiermediziner beschäftigen. Es geht in solchen Fällen nicht nur um orthopädische Probleme oder einen Tumor, sondern auch um geistigen Verfall.

Fachleute sprechen von kognitiver Dysfunktion. „Diese Erkrankung ähnelt in Krankheitsbild und Verlauf der Alzheimer-Krankheit beim Menschen“, sagt Tierärztin Stefanie Engert vom Tierheim Berlin. Dass Katzen betroffen sein können, haben Forscher schon vor Jahren anhand von charakteristischen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn nachgewiesen. Beim lebenden Tier indes kann die Diagnose bislang nur auf Verdacht und nach Ausschluss anderer Krankheiten gestellt werden.

Susi, die bei Christiane und Eckart Albrecht lebt, begann vor etwa drei Jahren nachts ohrenbetäubend laut zu schreien. Anfangs gingen die Albrechts trotz der Uhrzeit noch zu ihr, streichelten sie, gaben ihr zu fressen. Schließlich gingen sie zur Tierärztin. Die verschrieb zunächst Schmerzmittel und etwas für die Nieren. Es sei möglich, dass Susi, damals immerhin schon 18 Jahre alt, sich selbst nicht mehr so gut höre und daher so laute maunze, sagte Tierärztin Imke Tammena damals.

Tatsächlich schrie Susi danach nicht mehr jede Nacht, entwickelte aber andere auffällige Verhaltensweisen. „Dass Katzen oft raus wollen und dann gleich wieder rein, das kennen wir ja“, sagt Christiane Albrecht. „Aber Susi wollte irgendwann immer raus, nach ein paar Sekunden dann wieder rein und ein paar weitere Sekunden später dann wieder raus.“ Auch sonst habe sie immer vergesslicher gewirkt, ergänzt Eckart Albrecht. „Sie fing an, durchs Zimmer zu laufen, nach einigen Metern sitzen zu bleiben und einfach Löcher in die Luft zu starren.“ Außerdem begann sie irgendwann, alle paar Minuten nach Futter zu betteln, obwohl der Napf noch voll war und sie gerade erst gefressen hatte. Auch die Schreie wurden wieder lauter.

Als die Albrechts der Tierärztin beim nächsten Routinebesuch davon erzählten, kam der Verdacht auf, dass das Tier unter Demenz leidet. Verhaltensänderungen wie die Schreie, das leere Starren und die offensichtliche Vergesslichkeit sind dafür typische Anzeichen. Ein hohes Alter erhöht die Wahrscheinlichkeit. Die Schreie könnten ein Zeichen dafür sein, dass die Katze in Abwesenheit ihrer Besitzer nicht mehr weiß, wo sie ist, und dadurch schlicht Angst bekommt. Bei vielen Tieren begännen die Symptome schleichend und würden den Besitzern erst viel später bewusst, erklärt Tierärztin Stefanie Engert. Tierheime haben Erfahrungen mit solchen „Patienten“. „Einer unserer alten Hunde zeigte zum Beispiel auf seiner Pflegestelle extreme Unruhe und wanderte nachts pausenlos umher. In der Wohnung setzte er Urin und Kot ab“, berichtet Engert. Bei alten Katzen komme es häufig vor, dass sie die Toilette nicht mehr fänden und im Dunkeln ständig schrien. Die Besitzer seien damit überfordert. Die Situation führe nicht selten dazu, dass das Tier ins Heim gegeben werde.

Studien bei Hunden legen den Schluss nahe, dass ein Auftreten der Gehirnerkrankung mit dem Alter wahrscheinlicher wird. „Etwa 60 Prozent aller Hunde im Alter von elf Jahren zeigen Symptome“, erklärt Engert. Der Bundesverband für Tiergesundheit berichtet von einer Studie, der zufolge mehr als 20 Prozent der Hunde im Alter von mehr als neun Jahren und 68 Prozent der Hunde über 15 Jahren betroffen sind. Die Entwicklung scheint auch von der Rasse abzuhängen. Offenbar leiden mittelgroße Rassen mit einem Körpergewicht von 20 bis 25 Kilogramm häufiger an Demenz als sehr große oder sehr kleine Rassen.

Susis Tierärztin Imke Tammena sagt, die Forschung zur Demenz bei Tieren sei bisher spärlich. Das Thema beschäftige nur wenige Wissenschaftler. Da Haustiere jedoch immer älter würden, die diagnostischen Möglichkeiten sich laufend weiter entwickelten und die Besitzer auch bereit seien, mehr für ihre alten Tiere auszugeben, werde das Thema für Wissenschaft und Forschung immer aktueller, erklärt sie.

An der Wurzel packen lässt sich die Erkrankung bei Tieren bisher nicht. Albrechts haben sich mit Susis Krankheit arrangiert. Jeden Abend mischen sie Medizin, mit der die Symptome therapiert werden sollen, mit etwas Butter und passen auf, dass die Katze auffrisst. Dann richten sie Susis Lieblingsplatz auf einem Stuhl in der Küche her, stellen das Katzenklo daneben und hoffen, dass Susi ohne Schmerz und Panik durch die Nacht kommt. Manchmal schreit sie noch. Warum, kann sie den Albrechts am nächsten Morgen nicht sagen. Vielleicht wüsste sie es selbst gar nicht mehr.

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