Zwischen Berlino und dem blauen Wunder "Geheimsache Doping": Designerdroge für DLV-Topläufer

Berlin. Der Spree ist so ziemlich alles egal. Ob Fußball-WM, ob Leichtathletik-WM - sie fließt vor sich hin, lässt Berlin Berlin und die Berliner Berliner sein. Dennoch liebt sie der Berliner. An ihr kann er sitzen, die Seele baumeln und die Stadt Stadt sein lassen. Oder die Leichtatheltik-WM eben die Leichtathletik-WM

Berlin. Der Spree ist so ziemlich alles egal. Ob Fußball-WM, ob Leichtathletik-WM - sie fließt vor sich hin, lässt Berlin Berlin und die Berliner Berliner sein. Dennoch liebt sie der Berliner. An ihr kann er sitzen, die Seele baumeln und die Stadt Stadt sein lassen. Oder die Leichtatheltik-WM eben die Leichtathletik-WM.

Das wiederum wollen die Berliner nicht, die die WM organisiert haben. Denn sie haben sich nicht nur viel Mühe gegeben, sie mussten auch viel Geld investieren. Trotz der nun mehr als 60 Milliarden Euro Schulden steht der Berliner Senat im WM-Etat von etwa 44 Millionen Euro für rund 20 Millionen Euro gerade. Den Rest müssen Ticket-Einnahmen und Sponsoren begleichen. Es sieht ganz günstig aus: Mehr als 310 000 Tickets sind verkauft, so viele wie bei keiner WM zuvor zu diesem Zeitpunkt vor dem ersten Startschuss. Etwa 200 000 Plätze sind aber noch frei für die neuntägige Leistungsschau der Sprinter, Läufer, Springer und Werfer. Etwa 2500 Athleten aus mehr als 200 Nationen sind am Start. Am Samstag geht es los. Und "ich bin sicher, die Berliner werden wie bei der Fußball-WM sehr gute Gastgeber sein, Sportler und Besucher aus der ganzen Welt werden bei uns unvergessliche Stunden erleben", sagt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Braunbär Berlino, das tapsige WM-Maskottchen, würde ihm da gerne zustimmen, doch ihn hört keiner, sitzt er doch nun schon seit Wochen oben auf dem 368 Meter hohen Fernsehturm und schaut vielleicht ein wenig neidisch Richtung Zoo. Schließlich wohnt dort Eisbär Knut. Und der ist bei den Berlinern derzeit wesentlich beliebter als Berlino.

Doch das heißt noch lange nicht, dass die WM nahezu geräuschlos die Spree herunterfließen wird. Im Gegenteil: Schließlich sind die Berliner Erfahrungen mit der Leichtathletik glänzend. Beim Marathon im September sind stets 1,5 der 3,5 Millionen Berliner an der Strecke. Die Stadt an der Spree erinnert sich heute noch an die Olympischen Spiele 1936 mit dem vierfachen Goldmedaillengewinner Jesse Owens. Seine Enkelin ist nun wieder in Berlin. Sie soll einige Medaillen überreichen. Und auch das Internationale Stadionfest (Istaf) lief jedes Jahr gut, doch dieses Jahr vielleicht zum letzten Mal (wir berichteten). Man solle die WM genießen, empfiehlt Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Denn: "So etwas erleben wir so bald nicht wieder."

Die Stadt ist auf jeden Fall gut vorbereitet. Das Pressezentrum ist in einem riesigen Zelt auf dem Maifeld untergebracht. 3500 Journalisten berichten. Sechs Milliarden Fernsehzuschauer sitzen in 190 Ländern der Welt am Bildschirm. 3200 Volunteers sind im Einsatz, chauffieren die ersten Offiziellen und Journalisten und geben Akkreditierungen aus. Ihre Einsatzkleidung ist in Blau gehalten. Passend zur Laufbahn. Und die sollte auch mal die Spree interessieren. Schließlich ist sie einmalig auf der Welt und damit ein echtes "blaues Wunder". Berlin. Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin könnten eine große Bühne für Betrüger werden. In dem ARD-Film "Geheimsache Doping", der heute gegen Mitternacht ausgestrahlt wird, berichten hochkarätige Insider vor der Kamera, wie in der olympischen Kernsportart gedopt wird.

Einer der Gesprächspartner: Angel Heredia, einst einer der größten Doping-Dealer im Weltsport, der als Kronzeuge vor der US-Justiz auspackte. "Ich hatte 45 Athleten, von denen 32 zur Weltklasse zählten", berichtete der Mexikaner. Er lieferte seinen Kunden nicht nur verbotene Mittel von Anabolika bis zum Wachstumshormon, sondern auch detaillierte Wochenpläne für Anwendung und Medikation. "Es ist ein Kinderspiel", sagte Angel Heredia.

Ausführlich schilderte auch der österreichische Sportmanager Stefan Matschiner, zu dessen Schützlingen der Radprofi Bernhard Kohl zählte, seine Doping-Aktivitäten: "Ich hatte auch einen deutschen Leichtathleten, einen Topläufer, den ich nie getroffen habe, aber über einen Mittelsmann mit einer Designerdroge versorgte." Nach ARD-Recherchen soll dieser Läufer in diesem Jahr deutscher Meister geworden sein.

"Ich finde so etwas nicht produktiv, sondern auch dem Athleten gegenüber unfair", sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zu dem Beitrag: "Wenn man so einen Verdacht äußert, sollte man auch Ross und Reiter nennen." dpa

Hintergrund

Zu WM-Form läuft auch das Fernsehen auf. Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, die wie Eurosport fast 60 Stunden berichten, produzieren das internationale Sendesignal erstmals in der hochauflösenden HDTV-Technik. ARD/ZDF und ihre technischen Dienstleister beschäftigen in Berlin 460 Personen, Eurosport ist mit 40 Mitarbeitern und 13 Kommentatorenteams dabei. Allein im Olympiastadion sind für das internationale Signal 80 Kameras im Einsatz. Das Fernsehzentrum steht direkt neben dem Stadion und gleicht einer Wagenburg. 270 Container stehen dort. Von dort aus laufen armdicke Kabel über eine Brücke in das Olympiastadion. kip

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