Fußball-WM in Russland Modric dirigiert Kroaten ins Halbfinale

Sotschi · WM-Gastgeber Russland kämpft tapfer, gleicht spät aus – unterliegt dann aber mit 3:4 im Elfmeter-Drama.

(dpa/sid) Davor Sukers Stimme für den „Goldenen Ball“ hätte Luka Modric bereits sicher. Wenn er könnte, „würde ich Luka drei geben“, sagte Kroatiens früherer Top-Stürmer über seinen Landsmann. Suker kann als Präsident des kroatischen Fußballverbandes zwar nicht abstimmen, Modrics Chancen auf die Ehrung zum besten Spieler der WM in Russland durch die Technische Kommission der Fifa dürften aber auch so nicht schlecht stehen.

Der Weltklasse-Spielmacher von Real Madrid überragte auch beim Viertelfinal-Erfolg am Samstagabend gegen Gastgeber Russland. Ob er nun der Nachfolger des 2014 ausgezeichneten Lionel Messi wird, ist ihm aber relativ egal. „Das Wichtigste ist Kroatien“, meinte der 32-Jährige nach dem 4:3-Sieg im Elfmeter-Krimi in Sotschi. Das 1,72 Meter kleine Leichtgewicht Modric war danach erschöpft. Er sei stolz, glücklich, aber auch müde, sagte er. Was ihm mit seiner Mannschaft zuvor gelungen war, hatte zuletzt die Generation um Suker vor 20 Jahren in Frankreich geschafft. Der Halbfinal-Einzug bei der WM 1998 war bis Samstag der größte Erfolg in Kroatiens Fußball-Historie. Modric und Co. können die Geschichte nach dem zweiten Sieg in Folge im Elfmeterschießen (Achtelfinale gegen Dänemark) nun neu schreiben.

Mit seinem vierten Turniertreffer hatte Denis Tscheryschew das Team von Tschertschessow vor 44 287 Zuschauern im Fischt-Stadion von Sotschi in Führung gebracht (31. Minute). Der Hoffenheimer Bundesliga-Profi Andrej Kramaric (39.) und der frühere Leverkusener Domagoj Vida (111.) trafen für die Kroaten, bevor der gebürtige Brasilianer und spätere Elfmeter-Pechvogel Mário Fernandes (115.) der Ausgleich gelang. Abwehrmann Vida wurde gestern noch von der Fifa verwarnt. In einem Video jubelte der 29-jährige Torschütze kurz nach dem Spiel: „Ehre für die Ukraine!“

Am Mittwoch (20 Uhr) spielen die Kroaten in Moskau gegen England um den erstmaligen Einzug in ein WM-Endspiel. Ein Großteil der rund 4,1 Millionen Einwohner in der Heimat verehrt die Turnier-Helden schon jetzt. Allein 15 000 Menschen verfolgten die Partie auf dem zentralen Ban-Jelacic-Platz in Zagreb. Tausende Kroaten feierten unter anderem auch in Stuttgart und Umgebung mit Gesängen, Pyrotechnik und Hupkonzerten.

Sie haben es vor allem Modric zu verdanken. Der schmächtige Stratege ist der Anführer einer Generation, „für die es die letzte Chance war“, in ein WM-Halbfinale einzuziehen, sagte Co-Trainer Ivica Olic, der frühere Bundesliga-Stürmer. Tatsächlich könnte diese WM für Modric (32 Jahre), Ivan Rakitic (30) oder Angreifer Mario Mandzukic (32) die letzte sein. Das Herz des Teams aber ist Modric. Er lenkte auch gegen die tapfer kämpfenden Russen seine Mitspieler, diktiert im Mittelfeld das Tempo oder nimmt es raus. Es gab kaum einen Angriff der Kroaten, der nicht über ihn eingeleitet wurde.

Die Russen trockneten derweil gestern bei der gigantischen Abschiedsparty am Sonntag auch die letzten Tränen. Tausende Fans bereiteten den Helden 18 Stunden nach dem bitteren Aus bei der Heim-WM einen berauschenden Empfang in Moskau, Trainer Stanislaw Tschertschessow und seine Spieler wurden wie Popstars gefeiert. Während das Team den Anhängern ein Banner mit der Aufschrift „Wir haben für Euch gespielt“ entgegenstreckte, sangen alle ergriffen die Nationalhymne. Schon in der Nacht hatten im ganzen Land die Fans trotz des bitteren K.o.-Schlags wie wild gefeiert. Schnell überwog der Stolz auf die bärenstarke Sbornaja.

Der völlig erschöpfte Tschertschessow, der das Überraschungsteam dieses Turniers geformt hatte, trat wie ein schwer geschlagener Boxer vor die Presse. Selbst ein Anruf von Präsident Wladimir Putin konnte ihn kaum aufrichten. „Ich habe ihm gesagt, dass wir sehr enttäuscht sind“, sagte der Trainer. Ob Tschertschessow nach dem Erfolg als Trainer bleibt, ist noch unklar.

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