Dortmund Ein „Super-Hirnli“ mit gewissen Eigenheiten

Dortmund · Lucien Favre ist der Favorit auf den Trainerjob bei Borussia Dortmund. Der Schweizer gilt als Fachmann, aber auch als Sonderling.

 Lucien Favre war als Trainer von Borussia Mönchengladbach oft in Dortmund zu Gast. Bald könnte das Westfalenstadion sein Arbeitsplatz sein.

Lucien Favre war als Trainer von Borussia Mönchengladbach oft in Dortmund zu Gast. Bald könnte das Westfalenstadion sein Arbeitsplatz sein.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Als „Super-Hirnli“ wird Lucien Favre in den Medien manchmal bezeichnet. Ein Trainer, der ein Fußballspiel wie eine Partie Schach angeht, den Gegner analysiert, sich taktische Finessen überlegt und nicht nur einen Matchplan in der Schublade hat. Es hat den Anschein, dass der 60-jährige Schweizer, noch in Diensten des französischen Erstligisten OGC Nizza, ab der kommenden Saison seine Fußball-Philosophie den Stars von Borussia Dortmund vermitteln wird.

Der BVB hat allerdings die Trennung von Trainer-Coach Peter Stöger (52) noch nicht bekannt gegeben und wollte die Spekulationen um Favre „nicht kommentieren“. Doch eine Rückkehr des einstigen Cheftrainers von Hertha BSC (2007 bis 2009) und Borussia Mönchengladbach (2011 bis 2015) auf die Bundesliga-Bühne wird von vielen Experten mehr als wohlwollend aufgenommen. Ottmar Hitzfeld (69), einst selbst sechs Jahre lang BVB-Trainer und mit den Schwarz-Gelben 1997 Champions-League-Sieger, hat keine Zweifel, dass Favre einer wäre, der die Borussia nach vorne bringen könnte. „Er kennt die Bundesliga, hat große Erfahrung und Kompetenz. Und er ist nach Hertha, Gladbach und Nizza reif für eine Spitzenmannschaft“, sagt Hitzfeld.

Sky-Experte Christoph Metzelder sieht es ähnlich: „Er ruht in sich, konzentriert sich auf seine Arbeit und versucht, Ruhe und Stabilität in die Mannschaft zu bringen. Unabhängig von dem, was um ihn herum passiert. Das ist das, was Dortmund sich erhofft.“ Rekordnationalspieler Lothar Matthäus wies auf einen weiteren Vorteil des Eidgenossen hin: „Favre hat auch ein fantastisches Verhältnis zum besten BVB-Spieler Marco Reus. Er hat ihn in Gladbach erst richtig groß gemacht. Beide schätzen und respektieren sich total.“

Allerdings ist Favre alles andere als ein pflegeleichter Typ, der Taktikfuchs gilt als Mann mit gewissen Eigenheiten. So lud Favre Anfang Oktober 2009 nach seiner Freistellung durch die Hertha im Wintergarten des Berliner Nobelhotels Adlon zur privaten Pressekonferenz, warf der Führung um Präsident Werner Gegenbauer verfehlte Personalpolitik vor. Es folgte die fristlose Entlassung und der Streit um die Abfindung, der erst im Februar 2010 beigelegt wurde. Statt 1,4 Millionen Euro musste sich der Schweizer angeblich mit knapp einer halben Million begnügen. Im September 2015 bot er Borussia Mönchengladbach nach fünf Auftaktniederlagen in der Bundesliga seinen Rücktritt an. Dieser wurde abgelehnt, doch der Fußballlehrer demissionierte trotzdem – per Presseerklärung an die Nachrichtenagenturen, ohne Wissen der Borussia: „Ich habe nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein.“

In Nizza hat Favre derweil bewiesen, auch mit schwierigen Charakteren unter den Spielern zusammenarbeiten zu können. Italiens Exzentriker Mario Balotelli gehört an der Côte d’Azur zu seinen Schützlingen. Favres Kontrakt in Nizza läuft noch bis 2019, doch besitzt er eine Ausstiegsklausel, die einen Wechsel möglich machen würde.

In Dortmund könnte Favre etliche Landsleute wiedersehen. Torwart Roman Bürki und Manuel Akanji stehen schon beim BVB unter Vertrag. Mit Defensivspezialist Stephan Lichtsteiner (34/Juventus Turin) und Torhüter Marwin Hitz (30/FC Augsburg) sollen zwei weitere eidgenössische Nationalspieler zu den Westfalen wechseln. Vielleicht ein weiterer Grund für das „Super-Hirnli“, in die Bundesliga zurückzukehren.

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