Leichtathletik EM-Hoffnung zwischen zwei Welten

Ottweiler · Louisa Grauvogel aus Ottweiler pendelt zwischen Deutschland und USA, um sich den Traum von der Heim-EM in Berlin zu erfüllen.

Richtig ausgepackt hatte Louisa Grauvogel ihren Koffer nicht. Das hätte sich auch nicht gelohnt. Denn am Dienstag ist die 21-Jährige aus Ottweiler nach knapp einer Woche in Deutschland wieder zurück in die USA geflogen. Nach Athens im US-Bundesstaat Georgia. Ihre zweite Heimat. Und im Gepäck hatte die Saarländerin die Gewissheit, im Siebenkampf zur erweiterten europäischen Spitze zu zählen.

Weil die Sportsysteme in den USA mit ihren Universitäts-Wettkämpfen und Deutschland nicht zusammenpassen – der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) erkennt die Leistungen bei College-Wettbewerben nicht offiziell an –, ist Grauvogel, Studentin an der University of Georgia, zum Pendeln gezwungen. Denn sie will bei dem Leichtathletik-Höhepunkt des Jahres, der Heim-EM im Berliner Olympiastadion, unbedingt dabei sein. Doch das geht nur, wenn sie die geforderte Norm bei einem der offiziellen DLV-Wettberbe erfüllt – für die Mehrkämpfer sind dies die mitteldeutschen Meisterschaften in Halle an der Saale (5./6. Mai) sowie die Traditions-Meetings in Götzis (26./27.Mai) und Ratingen (16./17. Juni).

„Ich überlege, ob ich im Sommer nicht wieder nach Deutschland zurückkomme“, sagte Grauvogel in einem Interview bei leichtathletik.de, „es ist doch etwas schwierig in den USA, falls ich beispielsweise eine Einladung nach Götzis bekomme und sie nicht annehmen kann, weil mich der Trainer nicht gehen lässt. Der größte Wunsch eines jeden Sportlers ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Das kann ich nicht erreichen, wenn ich in den USA studiere.“ Für die EM gilt das genauso.

Für das vergangene Wochenende in Halle an der Saale war Grauvogel daher extra aus den USA angereist. Montag Ankunft, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag akklimatisieren und Jetlag hinter sich lassen, Freitag Kraft schöpfen und Samstag und Sonntag Wettkampf – ein hartes Programm. Aber es hat sich ausgezahlt. Grauvogel verbesserte ihre kürzlich erst aufgestellte Bestleistung um knapp 200 Punkte auf 6053 Zähler. Die EM-Norm von 6000 Punkten ist geknackt, Grauvogel hat als erste Siebenkämpferin in Deutschland vorgelegt und die Konkurrenz in Zugzwang gebracht. „Die Vorfreude ist schon riesig“, sagte Grauvogel: „Aber man muss erstmal abwarten, was die anderen Siebenkämpferinnen abliefern.“

Sie selbst will allerdings nichts dem Zufall überlassen. Auf der einen Seite soll sie das Training in den USA mit Petros Kyprianou weiterbringen. Und dass sie Anfang Juni an den US-College-Meisterschaften teilnimmt, versteht sich von selbst. Auf der anderen Seite will Grauvogel alle Möglichkeiten ausschöpfen, bei der EM in Berlin dabei zu sein. Deswegen will sie auch beim Qualifikations-Wettkampf in Ratingen am 16. und 17. Juni, also zwei Wochen nach der NCAA-Meisterschaft, starten. Aus Belastungssicht eigentlich ein Unding, aber das System lässt ihr praktisch keine andere Wahl.

Dabei hatte sich Grauvogel, die für die LG Saar 70 startet, im Sommer 2016 ganz bewusst für die USA entschieden. Sie hatte Angebote zahlreicher Unis – Vollstipendium inklusive. Sie sah ihr Talent als Belohnung, folgte Trainer Kyprianou, der eingeflogen war, um sie in Augenschein zu nehmen, nach Athens. Und profitiert dort von den gigantischen Möglichkeiten, die die Universitäten den Sportlern bieten, schließlich definieren sich ganz viele Unis über ihre Athleten und den Sport. „Auf das Kraft- und Schnelligkeitstraining wird verstärkt der Fokus gelegt. Beides hat mich unheimlich fit gemacht und ist einer der Hauptfaktoren, warum ich so gut bin“, sagte Grauvogel.

Das Techniktraining ist allerdings ausbaufähig. Deshalb sind Grauvogels Leistungen gerade im Hochsprung und im Speerwurf noch wackelig. In der saarländischen Heimat helfen ihr Tanja Horbach, die auch in Halle dabei war, und Lothar Altmeyer, der Präsident des Saarländischen Leichtathletik-Verbandes und Leiter des Sportzweiges am Rotenbühl-Gymnasium, Grauvogels früherer Schule. „Ich bin unheimlich froh, dass die Kommunikation mit meinen Heimtrainern so gut funktioniert“, sagte Grauvogel. Sie wird sie in den kommenden Wochen öfter noch brauchen. Beim Pendeln zwischen den USA und Deutschland. Auf dem Weg zur Europameisterschaft in der Bundeshauptstadt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort