Dopingskandal Endzeit für die Unbelehrbaren

Montreal · Russland steht im neuesten Kapitel des Dopingskandals vor dem Aus für die Olympischen Sommerspiele in Tokio.

 Der Russe Danil Lyssenko, einer der besten Hochspringer der Welt, soll mit Hilfe von Funktionären medizinische Dokumente gefälscht haben. Das wird für die Skandal-Nation Folgen haben.

Der Russe Danil Lyssenko, einer der besten Hochspringer der Welt, soll mit Hilfe von Funktionären medizinische Dokumente gefälscht haben. Das wird für die Skandal-Nation Folgen haben.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Russlands Unbelehrbare stehen vor dem Totalschaden, das Olympia-Aus für Tokio scheint unausweichlich: Die Geduld des Weltsports mit der in Sachen Doping offenbar nicht therapierbaren Skandal-Nation ist am Ende. „Das Urteil der Prüfkommission und ihre Forderung nach klaren Konsequenzen wiegen schwer“, teilt Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), mit: „Aufgrund der nahenden Olympischen Spiele muss die finale Klärung zeitnah erfolgen.“

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) könnte am 9. Dezember, wenn ihr Exekutiv-Komitee in Paris zusammenkommt, den Russen endgültig den Stecker ziehen. In der seit einer halben Dekade schwelenden Affäre um weitreichende Manipulation im Spitzensport haben sie nicht ansatzweise den geforderten Mentalitätswandel gezeigt. Beim Urteil müsse, so Hörmann, „der faire und saubere Sport im Vordergrund stehen“. Und da sieht es für Russland düster aus, nachdem insbesondere der Fall des russischen Weltklasse-Hochspringers Danil Lyssenko bekannt geworden ist. Der 22-jährige Vize-Weltmeister von 2017 soll Doping-Kontrolleure nicht über seine Aufenthaltsorte für mögliche Tests informiert haben. Und: Lyssenko soll medizinische Dokumente mit Hilfe von Funktionären gefälscht haben.

Das Compliance Review Committee (CRC), also das Prüfgremium der Wada, hat empfohlen, die bereits von 2015 bis 2018 suspendierte russische Anti-Doping-Agentur Rusada erneut auszuschließen, was zum Olympia-Ausschluss führen könnte und dürfte. Die Wada-Entscheider sollten der Empfehlung folgen – mit Milde im Weltsport können die Russen jedenfalls nicht rechnen.

„Eine Sperre von weniger als vier Jahren für diesen schwerwiegenden Verstoß mit erschwerenden Umständen nach Jahren der Verweigerung und Täuschung wäre eine weitere Ungerechtigkeit für saubere Athleten“, sagt Travis Tygart, Chef der mächtigen amerikanischen Anti-Doping-Behörde Usada.

Der „schwerwiegende Verstoß“ hat seinen Hintergrund in der Affäre um mutmaßlich manipulierte Daten aus dem Moskauer Kontrolllabor. Mit diesen sollen das genaue Ausmaß des systematischen Dopings in Russland belegt und individuelle Strafen für Athleten möglich werden. Das wollte Russland wohl gezielt verhindern, und deshalb findet eine harte Linie der Wada nun breite Zustimmung. „Wir halten diese Empfehlung des Compliance Review Committees für einen ersten richtigen Schritt“, teilt die deutsche Anti-Doping-Agentur Nada mit.

Die Russen selbst zeigten sich angesichts der breiten Front gegen sie ein Stück weit zwangseinsichtig. Rusada-Chef Juri Ganus sagt, dass die Empfehlung des CRC „im Einklang mit rechtlicher Logik“ stehe. Zwei Bedingungen habe die Rusada erfüllen müssen, diese seien „formal, aber nicht ordnungsgemäß erfüllt worden“. Die drohende Suspendierung richte sich aber „nicht gegen die Qualität der Arbeit der Rusada“. Sollte heißen: So schlimm ist das alles doch gar nicht.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verweist auf Nachfrage erneut darauf, dass die Urteilsgewalt im Hinblick auf mögliche Sanktionen bei den weltweiten Dopingbekämpfern liege. „Gemäß den neuen Wada-Regeln, die seit April 2018 gelten, wird dieser Prozess von der Welt-Anti-Doping-Agentur durchgeführt, und das IOC respektiert dieses Verfahren uneingeschränkt“, heißt es aus Lausanne. Der Internationale Sportgerichtshof CAS kann das Urteil der Wada überprüfen, die Russen werden den CAS wahrscheinlich anrufen.

Im Vergleich zu vergangenen Strafmaßnahmen wie im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio und der Winterspiele 2018 in Pyeongchang besitzt die Wada damit inzwischen deutlich mehr Sanktionsmöglichkeiten. Nicht nur der Ausschluss von Olympia und den Paralympics – wo russische Sportler dann möglicherweise jeweils als Einzelathleten unter neutraler Flagge antreten könnten – droht.

Der „International Standard for Code Compliance by Signatories (ISCCS)“ der Wada sieht auch ausdrücklich vor, das Russland die Ausrichtung internationaler Meisterschaften verweigert werden kann. Dies betrifft sowohl die Neuvergabe wie auch bereits an Russland vergebene Wettbewerbe.

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