Konzertabend Wenn der Wecker sanft wachrüttelt

St. Wendel · Liedermacher Konstantin Wecker gastierte vor ausverkauftem Haus im St. Wendeler Saalbau und begeisterte sein Publikum nicht nur mit Musik.

 Der Mann am Klavier: Den ersten Teil des Konzerts im St. Wendeler Saalbau saß Konstantin Wecker noch selbst am Flügel, später begleitete ihn Jo Barnikel.

Der Mann am Klavier: Den ersten Teil des Konzerts im St. Wendeler Saalbau saß Konstantin Wecker noch selbst am Flügel, später begleitete ihn Jo Barnikel.

Foto: B&K/Bonenberger/

Schrill, brutal und aufschreckend klingt er nicht. Er ist kein Alarmton-Typ, der einen unvorbereitet packt und aus seinem Tiefschlaf reißt. Dieser Wecker kommt eher sanft daher, zurückhaltend, fast schon bewusst schwach, um dann peu à peu an Intensität zu gewinnen und aufzurütteln. Der Vorname des Weckers ist Konstantin. Der Liedermacher gastierte am vergangenen Wochenende vor ausverkauftem Haus im St. Wendeler Saalbau. Stehende Ovationen des Publikums lockten Wecker und seinen Flügelmann Jo Barnikel zum Ende des Konzertabends immer wieder auf die Bühne. Sodass sich der Künstler letztlich dafür bedankte, dass das Publikum nach „drei Stunden Poesie“ noch immer nicht genug hatte.

Den Auftakt des Konzerts gestaltet Wecker, der neben Hannes Wader und Reinhard Mey zweifelsohne zu den großen deutschen Liedermachern zählt, alleine. Später wird ihn Barnikel am Flügel begleiten. Flinken Schrittes betritt der 70-jährige Wecker zunächst die Bühne und verbeugt sich kurz vor seiner Zuhörerschaft – mehrheitlich weiblich und in etwa gleichen Jahrgangs – um dann umgehend an dem großen schwarzen Flügel Platz zu nehmen und das Kultstück „Willy“ anzustimmen. Das Ende der 70er Jahre entstandene Lied schildert die Geschichte eines Freundes, der von Neonazis totgeschlagen wurde. Hatte Wecker den Text in der Vergangenheit immer wieder dem Zeitgeschehen angepasst, ist er nun wieder nah am Original. Denn in den zurückliegenden Monaten und Jahren, in denen sich rechtes Gedankengut zusehends öffentlichen Raum zurück erobert hat, näherte sich die Realität wieder dem Ursprungstext an.

Ein Stuhl, ein Tischchen und ein Stapel Bücher am aus Künstlersicht linken Bühnenrand lassen ahnen, dass Wecker nicht nur singen wird. Denn sein Gesamtwerk umfasst mehr. Er ist nicht nur Sänger, Musiker und Komponist, sondern auch Schauspieler und Autor. Eines seiner jüngeren Werke ist ein Büchlein mit dem Titel „Auf der Suche nach dem Wunderbaren. Poesie ist Widerstand“.

„Darf ich mir Luft machen?“, fragt er zuvor sein Publikum. Er darf. Und er muss auch, wie er gesteht, „denn bald ersticke ich an all diesen subtilen Taktiken und Strategien, die einzig ersonnen wurden, um den Mächtigen mehr Macht zu verleihen und die Ohnmächtigen ihrer Stimme zu berauben“. Der Künstler kritisiert die hierzulande von vielen ausgeübte „kriecherische Anbetung von Markt und Nutzen, Gewinn und Rendite, Erfolg und gutem Aussehen“. Ob das glückliche Menschen generiere, fragt Wecker, „auf dem Buckel der Zurückgelassenen, ins Abseits gestellten und ausgebeuteten Losern?“ Nein, lautet seine Antwort. Was er sich erträume, sei mehr als eine Revolution: „Die totale Umwälzung der Werte unserer wertlosen Gesellschaft. Menschen die miteinander suchen, hoffen, sündigen, verzeihen.“ Er wolle keinen Herrn über sich und keinem Götzen dienen. Und: „Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der jene am miesesten entlohnt werden, die die wirklich wichtige Arbeit verrichten: Krankenpflegerinnen, Altenpflegerinnen, Hospizarbeiterinnen und so viele mehr.“ Sein Traum sei eine Welt, in der solche Ansichten nicht als unvernünftig niedergeredet werden, „nur weil sie dem Abgott Markt nicht dienen und sich nicht vor den Tempeln des Konsums zu Boden werfen“.

Immer wieder nimmt Wecker während des Konzerts an seinem Tischchen Platz und das Publikum mit in seine Gedankenwelt und sein Leben, dessen Weisheit auf mehr als 70 teils intensiv gelebten Jahren beruht. Dennoch – oder gerade deshalb – ist er Poet, Träumer und Naivling im positiven Sinn geblieben, der das Konzert zumindest zum Teil als musikalische Hommage an seinen verstorbenen Vater gestaltet. Da ist im Publikum so manches Schniefen zu hören und die eine oder andere Träne wird verstohlen aus dem Augenwinkel gewischt.

 Volles Haus: Zahlreich war das Publikum am Wochenende in den St. Wendeler Saalbau gepilgert, um Konstantin Wecker live zu erleben.

Volles Haus: Zahlreich war das Publikum am Wochenende in den St. Wendeler Saalbau gepilgert, um Konstantin Wecker live zu erleben.

Foto: B&K/Bonenberger/

Was Wecker serviert, ist weder leichte Kost noch lustige Unterhaltung – manchmal kommen die ausgewählten Lieder aus seinem riesigen Fundus sogar etwas schwermütig daher. Dennoch begeistert der geborene Münchner, der eigentlich Dichter ist, seine Texte aber meisterlich mit Musik zu untermalen weiß. Es ist ein Abend, an dem der Künstler zurück und in die Zukunft blickt – kritisch, aber nicht ohne Hoffnung, den einen oder anderen (wieder) aufgeweckt zu haben.

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