Behinderte im Alter brauchen bessere Hilfe

Berlin. Dass die Deutschen zunehmend in die Jahre kommen, weil ihre Lebenserwartung steigt und gleichzeitig weniger Kinder geboren werden, ist keine neue Erkenntnis. Erstmals erreicht jedoch auch eine Generation mit geistigen und mehrfachen Behinderungen das Rentenalter

Berlin. Dass die Deutschen zunehmend in die Jahre kommen, weil ihre Lebenserwartung steigt und gleichzeitig weniger Kinder geboren werden, ist keine neue Erkenntnis. Erstmals erreicht jedoch auch eine Generation mit geistigen und mehrfachen Behinderungen das Rentenalter. Darauf ist die Gesellschaft nur unzureichend vorbereitet, wie eine Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigt. Die Lebensbedingungen von geistig Behinderten haben sich in den letzen Jahrzehnten deutlich verbessert. Das zeigt eine Untersuchung aus Schweden: Im Jahr 1970 lag dort die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom bei 35 Jahren. Heute sind es etwa 60 Jahre. "In Zukunft wird sich die Lebenserwartung vermutlich weiter jener der Durchschnittsbevölkerung annähern", glaubt Instituts-Direktor Reiner Klingholz. Vor diesem Hintergrund muss sich die Behindertenhilfe auf mehr ältere Menschen mit einem Handicap und damit auch auf neue Anforderungen einstellen. Heute hat jeder zwölfte Bundesbürger einen Schwerbehindertenausweis. Nur ein Bruchteil dieser 6,7 Millionen Menschen ist allerdings auf Hilfe im Alltag angewiesen. Derzeit leben etwa 154 000 Personen in Heimen der Behindertenhilfe. Weitere 58 800 Menschen werden von ihr in der eigenen Wohnung betreut. Die Zahl der von Familienangehörigen umsorgten Behinderten wird auf 70 000 geschätzt. Die Konsequenz ist auch ein wachsender Kostendruck, den die Sozialbehörden laut Studie schon jetzt an die Behindertenreinrichtungen weiter reichen. Seit 1980 hat sich die Zahl der Bezieher von Eingliederungshilfe um zwei Drittel auf über 600 000 erhöht. "Wenn sich nichts Grundlegendes ändert, ist zu befürchten, dass sich die Versorgung der Betroffenen verschlechtert", warnt Klingholz. Dabei lässt sich eine Begrenzung der Kosten durchaus mit dem Wohl der Betroffenen in Einklang bringen. Für eine ambulante Betreuung in den eigenen vier Wänden, die eine klare Mehrheit gegenüber dem Heim vorzieht, gaben die Sozialämter 2006 rund 7400 Euro pro Fall aus. Bei der stationären Versorgung waren es 26 000 Euro. Soll die Zahl der Heimplätze in den kommenden 20 Jahren konstant bleiben, dann müsste sich nach Berechnungen der Studien-Autoren die Zahl der ambulanten Plätze im gleichen Zeitraum verdoppeln. Mehr Selbstbestimmung allein sei aber noch zu wenig, resümiert Klingholz. Auch das gesellschaftliche Umfeld müsse stimmen. Mehrgenerationenhäuser sowie verstärkte Nachbarschaftshilfen könnten hier einen Beitrag leisten.

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