Automobilindustrie Kartellvorwurf erschwert Auto-Kooperation

München · Die Autobauer arbeiten schon immer zusammen. Manches wird sogar gefördert. Doch wo endet die Kooperation und wann beginnt ein Kartell?

 Die Kooperation von Daimler, BMW und Audi beim Kartendienst Here wurde  von Kartellamts-Präsident Andreas Mundt noch ausdrücklich gelobt.

Die Kooperation von Daimler, BMW und Audi beim Kartendienst Here wurde  von Kartellamts-Präsident Andreas Mundt noch ausdrücklich gelobt.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

(dpa) Deutsche Autokonzerne kaufen gemeinsam ein, bauen zusammen Motoren, entwickeln neue Techniken. Von solchen Allianzen könnten noch viel mehr Beteiligte profitieren, sagen Branchenexperten. Doch die neuen Kartellvorwürfe gegen VW, Daimler, BMW, Audi und Porsche bremsen Kooperationen aus und werfen ein schlechtes Licht auf Projekte, die den Kunden eigentlich Vorteile bringen sollen.

Ohne Zusammenarbeit auf Zukunftsfeldern seien die deutschen Autobauer „auf gutem Weg, die Technologieführerschaft in Europa zu verlieren“, sagt Stefan Randak vom Beratungsunternehmen Atreus. Auch der Autoexperte und Aufsichtsratschef der Unternehmensberatung Roland Berger, Marcus Berret, meint: „Die Autoindustrie bräuchte viel mehr Kooperation.“ Ein einzelner Hersteller allein könne die heutigen Herausforderungen kaum stemmen.

Doch was ist erlaubt, was ist kartellrechtlich verboten? „Es kommt immer auf den Einzelfall an“, sagt Bundeskartellamts-Sprecher Michael Detering. „Natürlich können Wettbewerber miteinander reden“, erläutert er. „Auch Kooperationen zweier Konkurrenten können okay sein.“ Als Daimler, BMW und Audi zusammen den Kartendienst Here kauften, lobte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt ausdrücklich, dass sich die deutschen Autohersteller zusammentun, „um bei der Entwicklung selbstfahrender Autos vorne zu liegen“.

BMW darf auch mit Toyota an der Entwicklung des Brennstoffzellen-Autos arbeiten. Daimler darf Motoren an Aston Martin und an Renault-Nissan liefern. BMW und Daimler dürfen sich beim Einkauf zusammentun. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hilft sogar bei der Partnerwahl: Auf seinem „Kooperationsportal“ werden Wünsche und Angebote abgeglichen und zusammengeführt.

„Wenn nicht jeder seinen eigenen Scheibenwischer oder seinen spezifischen Fahrzeugsitz entwickeln und bauen lassen würde, könnte die Industrie viel Geld sparen“, sagt Berret. Bei doppeltem Volumen können die Kosten eines Bauteils zehn bis 15 Prozent sinken. Und mit deutlich mehr Standardisierung „ließen sich locker 20, wenn nicht sogar 25 Prozent der Fahrzeugkosten sparen.“ Beim heutigen Preiskampf im Autohandel würde vor allem der Kunde wegen besserer Preise profitieren.

Bei Preisabsprachen oder der Aufteilung von Märkten ist die rote Linie überschritten. Die Grauzone aber ist groß, die Beweisführung bei Verstößen kompliziert. Ein gewöhnliches Ermittlungsverfahren dauert zwei Jahre. „Wenn wir dicke Bretter bohren müssen und auf eine Mauer des Schweigens treffen, kann es auch fünf Jahre dauern“, sagt Detering.

Jetzt prüfen die EU-Kartellbehörden, ob deutsche Autokonzerne die rote Linie seit den 90er Jahren überschritten haben. „Eigentlich müssten die Hersteller noch mehr zusammenarbeiten. Das wird jetzt deutlich eingebremst durch die aktuellen Vorwürfe“, sagt Berret.

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