Zum Tod von Ferdinand Piëch Der letzte Patriarch – verehrt und gefürchtet

Wolfsburg · Ferdinand Piëch machte Volkswagen zum Weltkonzern. Seine Härte brachte ihm Feinde. In der Würdigung sind sich jedoch alle einig.

 Ferdinand Piëch war von 1993 bis 2015 das Gesicht des VW-Konzerns. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche schrieb als visionärer Unternehmer und autoritärer Herrscher Automobilgeschichte. Am Sonntag ist er mit 82 Jahren gestorben.

Ferdinand Piëch war von 1993 bis 2015 das Gesicht des VW-Konzerns. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche schrieb als visionärer Unternehmer und autoritärer Herrscher Automobilgeschichte. Am Sonntag ist er mit 82 Jahren gestorben.

Foto: dpa/Boris Roessler

Er war die zentrale Führungsfigur des VW-Konzerns und einer der streitbarsten Manager der Autobranche: 22 Jahre lang zog Ferdinand Piëch bei Volkswagen die Strippen. Unter seiner Führung wurde VW vom Sorgenkind zum Weltkonzern. Aber am Ende ging der einflussreiche Manager im Streit. Am Sonntag ist Piëch im Alter von 82 Jahren gestorben.

Volkswagen, die Familien Porsche und Piëch würdigen am Dienstag das Erbe des letzten Patriarchen. „Ferdinand Piëch hat Automobilgeschichte geschrieben – als leidenschaftlicher Manager, genialer Ingenieur und als visionärer Unternehmer“, sagt VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Konzernchef Herbert Diess nennt Piëch mutig, unternehmerisch konsequent und technisch brillant. Zum Gedenken wehen die Fahnen vor den Werken der VW-Gruppe auf halbmast. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) würdigt Piëch als einen „der großen Unternehmer in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.

Begonnen hatte die prägende Ära Piëch bei VW kurz nach der Wiedervereinigung. Anfang 1993 übernahm der gebürtige Wiener und Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche den Vorstandsvorsitz – ein Posten, den er zuvor vier Jahre bei Audi innehatte – und stieg 2002 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats auf. Das blieb er bis 2015, als er die Machtprobe mit Ex-VW-Chef Martin Winterkorn suchte – und verlor.

„Er hat VW als Sanierungsfall übernommen und in einem sehr langwierigen Prozess nach oben geführt. Das lässt sich gar nicht genug würdigen“, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management über Piëchs Anfang. „Das Unternehmen stand damals mit dem Rücken zur Wand.“

Als Piëch bei VW einstieg, drohten Massenentlassungen. Betriebsratschef Bernd Osterloh sagt am Dienstag, die Belegschaft danke Piëch für seinen Anteil an der Einführung der Vier-Tage-Woche und der damit verbundenen Rettung Zehntausender Arbeitsplätze. Zudem habe der Manager 1998 die Entschädigung der noch lebenden Zwangsarbeiter des VW-Werks auf den Weg gebracht.

Die Krisen der Ära – die Spionage-Affäre des Piëch-Vertrauten José López, den Skandal um Lustreisen – wehrte Piëch ab. Volkswagen war ohne ihn kaum vorstellbar. Zu dominant war der Manager. Zu autoritär sein Führungsstil. „Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt“, schrieb Piëch selbst in seiner Autobiografie. Als der frühere Vorstandschef Bernd Pischetsrieder 2006 gehen musste, soll Piëch die Fäden gezogen haben. Auch den Machtkampf mit Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking gewann Piëch. Mit strenger Hand, hier­archisch und zentralistisch soll der Autonarr das wachsende VW-Imperium gelenkt haben. Der Spiegel beschrieb die Atmosphäre bei VW unter Piëch und Winterkorn einmal als „Nordkorea minus Arbeitslager“. Der frühere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sagte 1994, Piëch brauche „immer einen Feind“. Und der Onkel des Patriarchen, Ferry Porsche, sagte mal, die Familie habe „fast körperliche Angst vor ihm“.

„Er verstand sich klar als denjenigen, der den Laden führt“, sagt Branchenexperte Bratzel. Auch aus dem Aufsichtsrat heraus: „Der Vorstandsvorsitzende war lediglich der Ausführende. Wenn Piëch in dieser Beziehung das Gefühl hatte, dass Ross und Reiter verwechselt werden und der Vorstand zu mächtig wurde, dann handelte er.“

Bratzel führt das auch auf die besondere Rolle der Familien Piëch und Porsche im VW-Konzern zurück. Über die von ihnen kontrollierte Holding Porsche SE halten sie die Mehrheit an Volkswagen. „Piëch hat Volkswagen als Familienunternehmen gesehen, als sein Unternehmen“, sagt Bratzel.

Ferdinand Piëch spielte bei VW und Porsche allerdings zuletzt keine Rolle mehr. 2017 verkaufte er für rund 1,1 Milliarden Euro den Großteil seiner Porsche-SE-Stammaktien an die Familie, einige Monate später legte er sein Porsche-Aufsichtsratsmandat nieder – seither hatte er nichts mehr mit der Holding zu tun und lebte zurückgezogen.

Dem Ausstieg vorausgegangen war die öffentliche Auseinandersetzung mit Winterkorn. Im April 2015 sagte Piëch dem Spiegel, er sei „auf Distanz“ zu seinem einstigen Vertrauten. Doch mit Hilfe einer Allianz aus dem Land Niedersachsen und dem mächtigen Betriebsrat setzte sich Winterkorn durch. Piëch musste gehen. Am Dienstag zollt ihm Winterkorn, der inzwischen im Dieselskandal unter Anklage steht, Respekt. „Mir persönlich war Ferdinand Piëch ein jahrzehntelanger Förderer und Wegbegleiter“, erklärt Winterkorn.

Piëch, der nicht nur Manager und technikversessener Maschinenbauer war, sondern gerne segelte und die fernöstlicher Kultur studierte, hinterlässt eine große Familie – 13 Kinder und mehr als doppelt so viele Enkel, heißt es in einer Mitteilung von Witwe Ursula.

 Einst enge Vertraute, dann erbitterte Gegner: Nach einem verlorenen Machtkampf gegen den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn (l.) verließ Ferdinand Piëch 2015 den Konzern.

Einst enge Vertraute, dann erbitterte Gegner: Nach einem verlorenen Machtkampf gegen den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn (l.) verließ Ferdinand Piëch 2015 den Konzern.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod
  Ein Leben für Autos: Ingenieur Piëch (hier 1975) kam von Porsche über Audi zu VW.

Ein Leben für Autos: Ingenieur Piëch (hier 1975) kam von Porsche über Audi zu VW.

Foto: dpa/-

Bei VW blieb in den Jahren nach Piëch kaum ein Stein auf dem anderen, auch vor dem Hintergrund des kurz nach seinem Abgang bekanntgewordenen Dieselskandals. Ein „Kulturwandel“ wurde in Wolfsburg ausgerufen: weniger Zentralismus, mehr interne Kritik. Die Mitarbeiter sollten nicht mehr zittern vor einem Patriarchen wie Piëch.

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