Bergbau Evonik lässt die Bergbau-Pumpen laufen

Saarbrücken/Essen · 2012 war im Saarland das Ende des Bergbaus. Doch die Pumpen laufen weiter. Das Geld für den Betrieb kommt auch von der Ex-RAG-Tochter Evonik.

 Vor zehn Jahren wurde im Saarland –  wie hier im Bergwerk Ensdorf – Kohle abgebaut. Jetzt laufen dort die Pumpen, um das Grubenwasser unter Kontrolle zu halten.

Vor zehn Jahren wurde im Saarland –  wie hier im Bergwerk Ensdorf – Kohle abgebaut. Jetzt laufen dort die Pumpen, um das Grubenwasser unter Kontrolle zu halten.

Foto: BeckerBredel/Becker && Bredel

() Im Saarland läuft seit dem Bergbau-Aus die Diskussion, wie hoch das Grubenwasser in den stillgelegten Bergwerken steigen darf, und ob vielleicht die Pumpen irgendwann abgestellt werden dürften. Im Ruhrgebiet dagegen ist die Frage unstrittig: Dort muss ewig gepumpt werden: Zehn bis 15 Meter läge das Revier unter Wasser, wenn dort nicht ständig abgepumpt würde. Die Kosten dafür trägt von 2019 an, wenn auch an der Ruhr die letzten Bergwerke den Schlüssel rumdrehen, eine Stiftung – zum Großteil mit den Dividendeneinnahmen aus dem Chemiekonzern Evonik.

Fußballfans kennen Evonik eher als Sponsor von Bundesligist Borussia Dortmund, Anleger als Chemiewert mit stabiler Dividende. Doch der größte Anhänger des Essener Unternehmens dürfte der Bundesfinanzminister sein: Evonik sichert über seine Dividenden die Folgelasten des deutschen Kohlebergbaus.

Der Chemieriese gehört zu mehr als zwei Dritteln der RAG-Kohlestiftung, die die sogenannten Ewigkeitslasten trägt. Solange die Millionen aus Essen fließen, muss der Steuerzahler nach der Schließung der letzten deutschen Zeche für das dauerhafte Abpumpen des Grubenwassers nicht selbst aufkommen – eine ungewöhnliche, aber offensichtlich erfolgreiche Konstruktion.

Am 12. September war die Gründung des Unternehmens zehn Jahre her, gestern feierte der Chemiekonzern in Essen sein Jubiläum. „Wenn im kommenden Jahr der letzte Kumpel ausfährt und der Steinkohlenbergbau in Deutschland enden wird, dann wird Evonik weiter in die Zukunft steuern“, sagte Evonik-Chef Christian Kullmann bei dem Festakt.

Der Stiftungsvorsitzende und Evonik-Aufsichtsratschef Werner Müller betont selbstbewusst: „Ich kann in den nächsten 50 Jahren nicht erkennen, dass wir zur Finanzierung der Bergbaulasten den Steuerzahler benötigen. Das Stiftungsmodell funktioniert.“

Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und Ruhrkohle-Chef (ab 2003) hat die damals revolutionäre Idee durchgesetzt, die Industriebeteiligungen des früheren Ruhrkohle-Konzerns von den Zechen abzutrennen und in eine Stiftung einzubringen. So wurden die Unternehmen das Haftungsrisiko für den Kohleausstieg los und konnten sich besser entwickeln – das selbe hofft heute die Energiebranche, nachdem sie sich vom Endlagerrisiko für Atommüll freigekauft hat.

Aus dem Chemieunternehmen Degussa, das mehrheitlich zum Ruhrkohlekonzern gehörte, formte Müller die heutige Evonik und übernahm den Vorsitz. Am 12. September 2007 – vor zehn Jahren – präsentierte das neue Unternehmen seinen von Beratern ausgedachten Kunst-Namen in riesigen Lettern an der Fassade des Essener Verwaltungshochhauses. Vorher hatten nur fünf Menschen im Konzern den neuen Namen gekannt, wie Müller erzählt.

Im Frühjahr 2013 ging Evonik an die Börse. Das Unternehmen erwirtschaftet heute mit mehr als 35 000 Mitarbeitern knapp eine Milliarde Euro Reingewinn und deckt rund 80 Prozent der Einnahmen der deutschen Kohlestiftung ab. „Für das Pumpen brauchen wir künftig rund 220 Millionen Euro im Jahr – unsere Einnahmen sind etwa doppelt so hoch“, sagt Müller.

Das Unternehmen setzt mit seinen Produkten auf globale Trends etwa bei der Ernährung: Mit riesigen Fabriken für die Aminosäure Methionin zur Tierfutterproduktion verdienen die Essener an der wachsenden Fleischnachfrage. Beim globalen Bevölkerungswachstum ist Evonik mit Superabsorbern für Babywindeln dabei. Mit der vor wenigen Tagen abgeschlossenen Übernahme des Kieselsäuregeschäfts von J.M. Huber aus den USA setzt der Konzern auf die steigende Nachfrage im Gesundheits- und Kosmetikmarkt etwa für Zahnpasta – ein typischer Boommarkt in Schwellenländern mit wachsendem Wohlstand.

Doch es gibt auch Herausforderungen: Die Aktie des Unternehmens dümpelt weiter deutlich unter dem Einstandskurs von 2013. „Die Börse will Produkte mit höherer Marge“, sagt der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker. „Wachstum, neue Produkte oder eine große Neuerwerbung – es muss eine Zündung geben“, fordert der Aktionärsschützer.

Der im Sommer bestellte Evonik-Chef Kullmann will das Unternehmen nach eigenen Aussagen zum „besten Spezialchemiekonzern der Welt“ machen – kein kleines Ziel. Kullmann aber würdigte die Gründung gestern als eine „historische Leistung“: „Heute sind wir an der Börse notiert und rund 13 Milliarden Euro wert; 2007 wurden wir auf rund fünf Milliarden taxiert.“

(dpa)
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