Automobilindustrie Bei VW haben die Juristen das Sagen

Berlin/Wolfsburg · Zwei Jahre nach dem Beginn des VW-Skandals hat der Wolfsburger Autokonzern noch zahlreiche juristische Baustellen.

 Vom Aufstehen bis zu Schlafen – Paragrafen, Paragrafen: Der VW-Konzern muss derzeit an vielen juristischen Fronten kämpfen – sowohl in Deutschland als auch in den USA.

Vom Aufstehen bis zu Schlafen – Paragrafen, Paragrafen: Der VW-Konzern muss derzeit an vielen juristischen Fronten kämpfen – sowohl in Deutschland als auch in den USA.

Foto: picture alliance / dpa/Oliver Berg

  Es ist und bleibt ein juristischer Großkampf an mehreren Fronten, selbst wenn es zuletzt hier und da ein wenig vo­ranging. Vor zwei Jahren begann der VW-Skandal, im Laufe der Zeit weitete sich „Dieselgate“ zu einer Vertrauenskrise für die gesamte Auto­branche aus. Die Wolfsburger haben rechtlich viel um die Ohren:

Zivilklagen: Viele Autobesitzer, die einen manipulierten Diesel aus der VW-Gruppe fahren, verlangen auch in Deutschland und Europa Entschädigung. In den USA erreichte der Konzern für Hunderttausende betroffene Autos einen Vergleich – allein bei den 2,0-Liter-Wagen kostet VW das 14,7 Milliarden Dollar. Händler und US-Bundesstaaten klagten ebenfalls. Auch ein Vergleich für größere 3,0-Liter-Motoren (1,2 Milliarden Dollar) wurde vom zuständigen US-Richter genehmigt.

In Deutschland entschieden verschiedene Gerichte: Die Manipulationen bedeuten keine Pflicht zur Kaufpreis-Erstattung. Das Landgericht Braunschweig beschloss zudem, die Schadenersatz-Klage eines Kunden vorerst nicht an den Europäischen Gerichtshof weiterzugeben. Man findet aber auch andere Urteile. Hintergrund ist meist die Frage, ob die Fälschungs-Software ein so großer Mangel ist, dass Kunden vom Kauf zurücktreten können. Deutschlandweit gibt es über 1000 Klagen.

Das Thema Verbraucherentschädigung kochte auch im Bundestagswahlkampf hoch – sogenannte Musterfeststellungsklagen, bei denen viele Kunden sich gegen Konzerne zusammentun können, gibt es hierzulande aber noch nicht. Spannend bleibt die Frage der Verjährung: Ein Zugeständnis von VW, mögliche Kundenansprüche auch nach dem Ende normaler Garantien weiter zu beachten, läuft zum Jahresende aus. Verbraucherschützer kritisieren dies, Volkswagen verspricht jedoch „kundenindividuelle Lösungen“, falls weiter Bedarf an Nachbesserungen an Autos besteht.

Aktionärsklagen: Zahlreiche Anleger fordern Schadenersatz, weil sie nach Bekanntwerden von „Dieselgate“ im September 2015 zunächst hohe Wertverluste bei Aktien und Anleihen hinnehmen mussten. Diese solle ihnen VW erstatten. Ihr Argument: Das Management hätte den Kapitalmarkt deutlich früher über die Probleme informieren müssen. Entsprechende Vorwürfe der Marktmanipulation haben auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan gerufen, sie ermittelt  gegen VW-Konzernchef Matthias Müller. Dabei geht es um dessen Amt im Vorstand der Porsche SE, dem Haupteigner von Volkswagen. Auch Müllers Vorgänger Martin Winterkorn sowie der Ex-VW-Finanzvorstand und heutige VW-Chefaufseher Hans Dieter Pötsch sind im Visier. Zuvor hatten schon die Braunschweiger Strafverfolger solche Untersuchungen gestartet – dort außerdem gegen den VW-Kernmarken-Chef Herbert Diess. Volkswagen ist der Überzeugung, alle Regeln eingehalten zu haben. Das Volumen der bisherigen Anlegerklagen geht bereits in die Milliarden. Am Landgericht Braunschweig soll hierzu ein sogenanntes Kapitalanleger-Musterverfahren laufen, in dem ähnliche Ansprüche aus inzwischen gut 1500 Einzelklagen stellvertretend gebündelt verhandelt werden können. Die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment wird dabei Musterklägerin. Das Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen.

Strafrechtliche Ermittlungen jenseits von Marktmanipulation:  Die
Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt zudem wegen des Verdachts auf Betrug. Allein hier geht es – einschließlich eines Verfahrens gegen Winterkorn – um fast 40 Beschuldigte. Gegen sechs weitere Personen laufen Untersuchungen im Zusammenhang mit falschen CO2-Angaben. Hinzu kommen Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll. Anklagen gibt es bisher nicht. In den USA ist die strafrechtliche Aufarbeitung schon weiter. Dort wurde  ein VW-Mitarbeiter wegen seiner Rolle im Abgas-Skandal zur Rechenschaft gezogen: Ein Detroiter Gericht brummte dem Ingenieur James Liang eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und vier Monaten sowie eine Geldbuße von 200 000 Dollar auf.

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