Weltgrößte Automesse in Shanghai Deutsche Autobauer hoffen auf China

Shanghai · Während viele Länder noch gegen Corona kämpfen, hat sich der weltgrößte Automarkt China längst erholt. Auf der Auto-Messe in Shanghai setzen deutsche Hersteller ihre Hoffnungen auf Elektro-Modelle.

 Volkswagen stellt auf der Automesse in Shanghai den elektrischen Stadtgeländewagen ID.6X vor. Er wird nur in China produziert.

Volkswagen stellt auf der Automesse in Shanghai den elektrischen Stadtgeländewagen ID.6X vor. Er wird nur in China produziert.

Foto: dpa/Andreas Landwehr

In der Pandemie ist China der „große Lichtblick“ für deutsche Autobauer. Der weltgrößte Automarkt dürfte in diesem Jahr um mindestens sechs Prozent wachsen. Besonders boomt der Absatz von Elektroautos, der um 70 Prozent zulegen könnte, wie Branchenexperten vorhersagen. Nach einem langsamen Start bei der Elektromobilität in China will Volkswagen mit Milliardeninvestitionen und neuen Modellen aufholen. Der große Stadtgeländewagen ID.6, der am Sonntag vor der internationalen Automesse in Shanghai vorgestellt wurde, soll als „Flaggschiff“ die Wende bringen. In diesem Jahr will Europas größter Autobauer mehr als 100 000 E-Autos in China verkaufen. Mit rund tausend Ausstellern ist die „Auto China“ in Shanghai, die am Montag beginnt, inzwischen die größte Automesse der Welt. Bis zum 28. April werden Hunderttausende Besucher in den zwölf Messehallen erwartet.

In der Corona-Krise wird China für Autobauer noch einmal wichtiger. Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die „große Lokomotive“. „China fährt allen davon“, sagt der Direktor des Center Automotive Research (CAR) in Duisburg. Auch in den USA werde es besser, da das riesige Konjunkturpaket der neuen Regierung von US-Präsident Joe Biden auch Autos fördert. „Aber das wird bei weitem nicht so stark wie China sein“, glaubt Dudenhöffer. Südamerika versinke im Chaos. „Europa wird eher stagnieren beziehungsweise kleine Zuwächse haben.“

Die schnelle Wirtschaftsentwicklung in China treibt den Absatz. Im ersten Quartal erlebte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ein Rekordwachstum von 18,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Regierung rechnet in diesem Jahr mit „mehr als sechs Prozent“ Wachstum, der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar mit acht Prozent. Und so schnell wollen auch Volkswagen und die anderen Autobauer zulegen.

In den ersten drei Monaten sind die Neuzulassungen sogar um 76 Prozent auf 6,48 Millionen Pkw-Verkäufe gestiegen. Der große Sprung lässt sich durch die niedrige Vergleichsbasis vor einem Jahr erklären, als das Land zu Beginn der Corona-Krise stillgestanden hatte. Trotzdem bleibe ein echter Zuwachs von „gut 20 Prozent“, sagt Dudenhöffer.

Doch bremst der Chipmangel. „Wenn du schon Pech hast, kommt noch Unglück dazu“, zitiert Volkswagens China-Chef Stephan Wöllenstein, eine Redensart. Er rechnet auch im zweiten Quartal noch mit „beträchtlichen Auswirkungen“. Das Problem werde bis 2022 bestehen. Dass die Halbleiter-Produktion nicht in den Händen der Autoindustrie liege, „ist ein fatales Problem, das nicht so leicht gelöst werden kann“, sagte der Direktor von Chinas Vereinigung der Autohändler, Jia Xinguang.

Volkswagen will die Transformation vorantreiben: In zwei bis drei Jahren will die Kernmarke in China bei alternativen Antrieben einen ähnlich hohen Marktanteil haben wie heute bei Benzinern mit knapp 15 Prozent, sagt VW-Manager Wöllenstein. „Volkswagen hat die gute Tradition, teilweise etwas später, aber umso heftiger zu kommen.“ Derzeit hat VW bei Elektroautos nur einen Marktanteil von drei bis vier Prozent. In diesem Jahr will VW schon zweistellig werden.

Um die Dominanz chinesischer Marken und des amerikanischen Herstellers Tesla zu brechen, investiert Volkswagen in den nächsten vier Jahren allein 15 Milliarden Euro in E-Mobilität in China. „Wir werden zwei bis drei Jahre brauchen, um Tesla zu überholen“, hofft Wöllenstein. Erleichtert wird das Geschäft mit den E-Autos in China dadurch, dass viele chinesische Städte aus Angst vor Smog und Verkehrskollaps die Zulassung von Autos begrenzen.

Es ist weniger gewachsenes Umweltbewusstsein als vielmehr die Tatsache, dass es leichter, billiger oder schlicht der einzige Weg ist, ein Nummernschild für ein Auto zu bekommen, wenn man ein Elektro-Auto kauft. Alternative Antriebe haben heute schon einen Marktanteil von mehr als fünf Prozent. Die Konkurrenz ist enorm. Chinesische Startups wie Nio, Xpeng oder Lynk & Co drängeln sich am Markt. Auch Technologie-Riesen wie Huawei oder Xiaomi wittern das Geschäft und wollen jetzt Autos bauen – auch weil es zunehmend um Software geht.

Die Karten werden neu gemischt, wobei die deutschen Autobauer ihre starke Position gerade im Premiummarkt verteidigen müssen. China ist mit Abstand ihr wichtigster Markt. Überhaupt wird heute schon jedes dritte Auto weltweit in China verkauft. Volkswagen macht rund 40 Prozent seines globalen Geschäfts im Reich der Mitte. „Unsere Autobauer sind ohne China nicht mehr vorstellbar“, sagt Dudenhöffer. „Die Jobs in München, Stuttgart oder Wolfsburg hängen an China.“ Es gebe aber keine Alternative: „Entweder Deutschland bleibt im Autogeschäft und dann mit China. Oder wir steigen in China aus – dann steigen wir auch aus der Autoindustrie aus.“

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