Tränengas gegen Oppositionelle

Teheran. Sie lassen nicht locker: Fünf Wochen nach dem umstrittenen Wahlsieg des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gingen in Teheran erneut Hunderttausende auf die Straße. Sie trotzten am Freitag einem Großaufgebot der Sicherheitskräfte und Temperaturen von über 40 Grad

Teheran. Sie lassen nicht locker: Fünf Wochen nach dem umstrittenen Wahlsieg des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gingen in Teheran erneut Hunderttausende auf die Straße. Sie trotzten am Freitag einem Großaufgebot der Sicherheitskräfte und Temperaturen von über 40 Grad."Tritt zurück"Immer wieder skandierten die Demonstranten: "Ahmadinedschad, tritt zurück!" oder "Nieder mit dem Diktator!". "Übersehen und überhören kann man das nun beim besten Willen nicht mehr", sagte ein Beobachter in Teheran. Auch das Freitagsgebet nutzte die Opposition für ihre Kritik. "Wir sind in einer Krise mit gefährlichen Konsequenzen", erklärte der iranische Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani beim Freitagsgebet. Das könnte keiner mehr schönreden.Obwohl die meisten der Demonstranten am Freitag junge Anhänger des Oppositionsführers Mir Hussein Mussawi waren, wurden auch viele Familien mit Kindern und Großeltern bei den Demonstrationen gesehen. "Ich will eine besser Zukunft für meine Enkelin", sagte der 72-jährige Taghi M., der seine Enkelin im Arm hielt. Eine bessere Zukunft forderte auch Rafsandschani, der zu den einflussreichsten Unterstützern des Reformpolitikers Mussawi zählt. "Ich habe über 60 Jahre für den Islam und Revolution gekämpft und leide jetzt wegen der jüngsten Zwischenfälle", so der moderate Kleriker. Rafsandschani war Jahrzehnte lang ein Vorreiter der islamischen Revolution, sowohl als Parlaments- als auch Staatspräsident, bis Ahmadinedschad ihn mit Korruptionsvorwürfen regelrecht in die Opposition drängte. Erneut kam es vor der Teheraner Universität und in nahegelegenen Straßen zu Ausschreitungen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Zwischen Freiwilligen-Milizen und Demonstranten kam es zu Auseinandersetzungen. Einige wurden verhaftet. Wegen der Proteste sitzen derzeit über hundert Menschen im Gefängnis. Nicht nur Demonstranten, Dissidenten und Journalisten, sondern auch ehemalige Regierungsmitglieder und Parlamentarier, darunter Vizepräsident Mohammad-Ali Abtahi.Bitterer Unterton "Das sind doch unsere eigene Leute, können wir denn nicht mal mehr unsere eigenen Leute tolerieren?", fragte Rafsandschani und forderte die sofortige Freilassung der Inhaftierten. "Wir sind doch alle Mitglieder einer Familie, lasst doch nicht zu, dass unsere Feinde uns auslachen." Trotz versöhnlicher Töne Rafsandschanis war der bittere Unterton nicht zu überhören. "Mit Ahmadinedschad als Präsident kann es keine Versöhnung geben", so ein Beobachter. "Die Menschen werden nicht vergessen, dass Ahmadinedschad die Demonstranten als Unkraut bezeichnet hat."

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