Wie die Uno das Artensterben stoppen willSaarland will Lebensräume von Tieren besser vernetzen

Berlin. Tiger, Eisbären, Pandas, Haie und Nashörner kämpfen um ihr Überleben, weil Menschen ihren Lebensraum zerstören. In Deutschland gibt es nur noch wenige Feldhamster, Uhus, Kiebitze, Feldlerchen und Springfrösche

Berlin. Tiger, Eisbären, Pandas, Haie und Nashörner kämpfen um ihr Überleben, weil Menschen ihren Lebensraum zerstören. In Deutschland gibt es nur noch wenige Feldhamster, Uhus, Kiebitze, Feldlerchen und Springfrösche. Weil das Artensterben zu einem immer dringlicheren Problem wird, hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) das Jahr 2010 zum "Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt" ausgerufen. In Berlin erfolgte gestern der offizielle Startschuss.

"Wir brauchen eine Trendwende, jetzt unmittelbar, nicht irgendwann", verlangte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Auftakt. Sie verwies dabei ebenso wie Umweltminister Norbert Röttgen auch auf die Bedeutung der Biodiversität für Wirtschaften und die Existenz des Menschen. Die internationale Gemeinschaft hat sich in der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) zum Ziel gesetzt, bis 2010 den Verlust an biologischer Vielfalt "bedeutend zu verringern". Dies war ein Kernthema der CBD-Konferenz 2008 in Bonn gewesen, konkrete Fortschritte sind seither jedoch kaum erkennbar.

Schon im Jahr 2007 schrieb Deutschland sich eine "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" auf die Fahnen. "In der Strategie steht alles drin, aber die Bundesregierung macht nichts", bemängelt Ulrike Fokken, Sprecherin der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Mehr als ein Drittel aller überprüften Wirbeltierarten in Deutschland steht nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) als akut gefährdet auf der Roten Liste, sieben Prozent der Arten sind bereits ausgestorben. Zwar hat sich der Bestand bei bedrohten Arten wie Luchsen stabilisiert, und nach fast 100 Jahren gibt es auch wieder einige wenige Wolfsrudel im Bundesgebiet, insgesamt bleibt die Situation aber kritisch.

"Wir haben das EU-Ziel, den Artentod bis 2010 zu stoppen, nicht erreicht - und das liegt an der Untätigkeit der Regierungen", sagt Fokken. Weltweit sind laut der internationalen Umweltschutzorganisation IUCN rund 22 Prozent der bekannten und genauer untersuchten Wirbeltierarten bedroht, bei wirbellosen Tieren wie Insekten sind es sogar 35 Prozent.

Der Hauptgrund für diesen teils dramatischen Rückgang der Artenvielfalt ist hausgemacht. Der natürliche Lebensraum der Tiere wird zerstört. Der Klimawandel belastet die Fauna zusätzlich. Die Bundesregierung muss nach Ansicht der Umweltschützer zum Beispiel mehr Naturschutzgebiete ausweisen, weniger Wiesen zu Ackerflächen machen und Flüsse nicht mehr begradigen. Bei jedem neuen Bauprojekt von Straßen oder Häusern müsse auch der Artenschutz berücksichtigt werden, fordert Fokken.

Und auch die Rolle der Landwirtschaft wird von den Naturschützern überaus kritisch betrachtet. "Die Landwirtschaft ist in Deutschland der größte Artenkiller - das muss man sich bewusst machen", sagt WWF-Sprecher Jörn Ehlers. Der Feldhamster sei in Deutschland vor allem deshalb bedroht, weil dort, wo er sonst über Felder und Wiesen lief, heute Traktoren fahren und Mais angebaut wird. Im Vergleich zu 2008 gibt es nach DUH-Angaben mindestens 100 000 Feldlerchenpaare weniger, weil ihr Lebensraum durch die Produktion von Biosprit zerstört wurde.

Illegaler Holzhandel

Auch für die globale Artenvielfalt könne Deutschland sich nach WWF-Ansicht deutlich stärker einsetzen. "Ein erster Schritt wäre, den illegalen Holzhandel unter Kontrolle zu bringen und den illegalen Handel mit Tropenhölzern zu unterbinden", fordert Ehlers. Außerdem solle der Handel mit Früchten oder Gemüse, die auf Plantagen auf einem abgeholzten Regenwaldgebiet angebaut wurden, verboten werden. Die tropischen Wälder sind das Zuhause unzähliger bedrohter Tiere wie des Orang-Utans.

Der Direktor des Internationalen Tierschutzfonds IFAW, Ralf Sonntag, macht sich vor allem Sorgen um die Meeresbewohner. Er kämpft für das Überleben der Schweinswale in der Nordsee. Die Tiere leiden unter Meereslärm, der vor allem von schweren Tankern verursacht wird. Haien, deren Bestand sich nach IFAW-Angaben um bis zu 90 Prozent reduziert hat, wird die asiatische Vorliebe für Haifischflossensuppe zum Verhängnis. Doch auch hierzulande solle jeder Einzelne sein Konsumverhalten überdenken, keine bedrohten Fischarten wie Aal essen und stärker zu heimischen Bio-Produkten greifen, fordert Nabu-Experte Wessel.

Wenn eine Art vom Erdboden verschwindet, bedeutet das eine Gefahr für das biologische Gleichgewicht. Das zeigt sich besonders deutlich am Beispiel des Bienensterbens. In Deutschland gingen im vergangenen Jahr ganze Bienenvölker auch deshalb zugrunde, weil verstärkt Pflanzenschutzmittel benutzt wurden. "Bienen bestäuben 60 bis 70 Prozent aller Pflanzen. Das Bienensterben kann dann zu Kettenreaktionen führen", warnt Ehlers. "Das Artensterben ist eine genauso große Bedrohung wie der Klimawandel."Herr Borger, die Kanzlerin bezeichnet den Schwund der Artenvielfalt als "beängstigend". Wie bewerten Sie die Situation?

Borger: Wir stehen im Saarland zwar noch relativ gut da, aber natürlich befinden wir uns am Anfang einer globalen Entwicklung, die sehr stark von der Klimaveränderung beeinflusst wird. So wird es auch hierzulande verstärkt zu Artenverschiebungen kommen: Schmetterlinge oder Libellen zum Beispiel, die bisher bei uns nicht heimisch waren, wandern aus dem Mittelmeerraum ein, andere Arten haben perspektivisch schlechte Chancen.

Welche Arten sind im Saarland besonders gefährdet derzeit?

Borger: Schmetterlinge wie der Lilagold-Feuerfalter, aber auch Braunkehlchen, die Zauneidechse oder die Kreuzkröte. Bei uns gilt knapp ein Drittel der Tier- und Pflanzenwelt als gefährdet, was nicht heißt, dass sie unmittelbar vom Aussterben bedroht sind. Einige Arten konnten sich auch erholen, weil viel für den Schutz von Gewässern getan wurde und die Luftverschmutzung gesunken ist. Dazu kommen Erfolge bei Projekten wie dem Großschutzgebiet Wolferskopf bei Beckingen, der Biosphäre Bliesgau, dem Urwald vor Saarbrücken oder den Steilhängen an der Saar bei Mettlach. Hier wurden und werden Rückzugsräume geschaffen.

Was tut das Ministerium, um abseits dieser Projekte den Artenschutz voranzutreiben?

Borger: Wir planen ein landesweites Biotop-Verbund-Konzept mit dem Ziel, die Lebensräume von mobilen Tierarten wie der Wildkatze oder von Fledermäusen zu vernetzen. Das Saarland ist eben dicht besiedelt und stark von Straßen zerschnitten. Weil aber jedes Tier Sicherheit beim Wandern braucht, wollen wir ein Netz von unterschiedlich bepflanzten Korridoren über das Saarland legen. Der Tierwegeplan des Naturschutzbundes soll dabei einbezogen werden. Und wir wollen den Biotop-Verbund koppeln an Fragen der Erzeugung von Erneuerbaren Energien. Weiden oder Pappeln, die in den Korridoren wachsen, könnten als Rohstoff genutzt werden.

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