So viel EU steckt in unserer Milch

Brüssel · Vom 22. bis 25. Mai wählen die Bürger der EU ein neues Parlament. In einer Serie stellen wir in loser Folge zentrale Themen rund um die Europäische Union vor. Heute: der Einfluss der EU auf den Alltag am Beispiel der Milch.

Ein Eis am Wochenende, ein Käsebrot am Abend, ein Joghurt zum Frühstück - Milch gehört zu den Grundnahrungsmitteln. Alles zusammengerechnet vertilgt jeder Bundesbürger pro Jahr rund 136 Kilo Milch (ein Liter Milch entspricht 1,02 Kilo) in diversen Formen. Das Naturprodukt enthält nicht nur Calcium für den Knochenaufbau, sondern auch Aminosäuren für den Betrieb der Körperzellen. Dass Milch darüber hinaus Osteoporose ebenso vorbeugt wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Übergewicht, steht nach wissenschaftlichen Studien fest. Der unscheinbare viereckige Karton erzählt davon aber nichts. Er verschweigt auch, wie viel Europa in diesem kleinen Paket steckt, denn längst hat die Union aus zahlreichen Affären, Skandalen und Verunreinigungen im Lebensmittelbereich Konsequenzen gezogen.

Das beginnt bei den Vorschriften über die Produktion. Denn das Futter für das Vieh und die artgerechte Haltung der Tiere sind europäisch vorgeschrieben. Wer auf biologische Landwirtschaft setzt, muss 60 Prozent dessen, was er dem Vieh gibt, aus der unmittelbaren Umgebung erwerben. Käufer wie Verkäufer dürfen, wenn sie "Bio" anbauen, künftig nicht mehr herkömmliche Landwirtschaft nebenbei betreiben.

Das geht bei der Verarbeitung dessen, was als Rohstoff in der Molkerei abgegeben wird, weiter. Ob es sich um Vollmilch, teilentrahmte (fettarme) oder Magermilch handelt - alles ist festgelegt. Der Fettgehalt wurde europäisch geregelt. Wer den Karton mit der Aufschrift "mindestens 3,8 Prozent Fett" wählt, erhält eine Vollmilch mit natürlichem Fettgehalt. Bei "mindestens 3,5 Prozent Fett" handelt es sich bereits um ein gänzlich anderes Produkt mit eingestelltem Fettgehalt. Doch der Verbraucher kann, wenn er will, noch mehr erfahren, wenn er die Verpackung nur gründlich liest. Denn in einem kleinen ovalen Kreis wird dort nach entsprechenden Kennzeichnungsvorgaben aus Brüssel exakt aufgeführt, aus welchem Land (D = Deutschland) die Milch kommt, in welchem Bundesland (zum Beispiel BY = Bayern) das Produkt eingefüllt wurde. Die fünfstellige Nummer der Produktionsstätte lüftet auch das letzte Geheimnis: Wo wurde die Milch hergestellt? Aufschriften wie "pasteurisiert", "ultrahocherhitzt" oder "homogenisiert" vervollständigen die Verbraucherinformation entsprechend der europäischen Richtlinien. Sollte ein Hersteller die Milch mit Vitaminen oder anderen Zusatzstoffen angereichert haben, muss dies auf der Verpackung vermerkt sein. Das Gleiche gilt für eventuelle Ergänzungen, die aus gentechnisch veränderten Substanzen gewonnen wurden. So undurchschaubar der Milchkarton auch wirken mag, nach diversen Reformen der europäischen Gesetzgebung dürfte der Verbraucher keine offenen Fragen mehr haben.

Doch damit ist der europäische Einfluss auf ein nahezu alltägliches Produkt noch nicht zu Ende. Schließlich hat Brüssel schon seit 1984 geregelt, wer wie viel Milch herstellen darf. 2011 wurden rund 152 Millionen Tonnen in den damals 27 EU-Mitgliedstaaten produziert. Das entsprach einigermaßen genau der Quote. Dieses Instrument sollte eigentlich dazu dienen, den einzelnen Betrieben kostendeckende Produktion zu garantieren. Der Weg klingt ganz einfach: Brüssel verteilt an die Mitgliedstaaten bestimmte Mengenvorgaben, die Deutschland (andere Länder wählen andere Wege) an die produzierenden Höfe weitergibt. Wer diese vorgegebene Menge produziert, bekommt sein Geld, wer mehr liefert, zahlt drauf. Doch diese Subventionspolitik geriet ins Kreuzfeuer der Interessen, schließlich verhinderte Brüssel, dass die Bauern ihre Produkte selbst entsprechend den Marktbedingungen verkaufen konnten. Das Ende der Milchquote steht 2015 an.

Dennoch unterstützt die EU auch die Hersteller weiter - das sogenannte Schulmilch-Programm gehört dazu. Im Rahmen dieses Projektes stellt Brüssel 4,5 Cent Beihilfe für jeden Schüler pro Tag zur Verfügung, wenn dieser sich mit einem Viertel Liter Milch, Milchmischgetränk, Joghurt oder Käse verpflegt. Insgesamt lässt sich die EU diese Idee jährlich bis zu 80 Millionen Euro kosten und erreicht damit 20 Millionen kleine Europäer.

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