In Limburg verpönt, im Vatikan normal?

Rom · Die Chefs von Kurienbehörden leben zwar traditionell in größeren Räumlichkeiten. Doch der emeritierte Kardinalstaatssekretär Bertone bringt den Vatikan mit der Entscheidung für seinen Alterssitz in Erklärungsnot.

Als Papst Franziskus nach seiner Wahl vor einem Jahr auf die Wohnung im Apostolischen Palast verzichtete, sorgte das für Aufsehen: Der Argentinier meine es ernst und gehe mit gutem Beispiel voran, wenn er von der "Kirche der Armen" predige. Für Schlagzeilen sorgt nun der emeritierte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der sich laut einem italienischen Medienbericht vom Wochenende mit 79 Jahren in einem 600 Quadratmeter großen Apartment zur Ruhe setzen will, das auch über eine rund 100 Quadratmeter große Terrasse verfügen soll. Der Papst habe verärgert reagiert, als er davon erfahren habe, schreibt "La Repubblica", ohne Quellen zu nennen.

Während sich in Deutschland die Menschen an den inzwischen zurückgetretenen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst erinnert fühlen, der wegen seines Luxusdomizils auf dem Limburger Domberg jegliches Ansehen verlor, stoßen Nachfragen zum Bertone-Apartment im Vatikan auf Unbehagen. Dort wird das Thema wegen der dadurch provozierten Medienberichte als "Tratsch" bezeichnet. Denn: Amtierende und ehemalige Chefs von Kurienbehörden leben traditionell in größeren Räumlichkeiten. Kurienkardinäle und Bischöfe verfügen gemeinhin über 120 bis 150 Quadratmeter, auch wenn sich Franziskus seit seinem Amtsantritt mit einer etwa 70 Quadratmeter großen Suite im vatikanischen Gästehaus Santa Marta begnügt. Die meisten übrigen Kurienchefs bewohnen jedoch bereits seit Jahren ihre im Vergleich dazu größeren Domizile.

Dabei wird Franziskus' schlichter Lebensstil, der auf unnötigen Luxus verzichtet und die Nähe zu den Armen betont, von der Kurie nach außen hin als beispielgebend dargestellt. Franziskus beglich höchstpersönlich seine Rechnung im römischen Gästehaus, in dem er vor dem Konklave zur Papstwahl genächtigt hatte. Für Autofahrten meidet er die Luxuskarossen aus dem päpstlichen Fuhrpark, um sich im Kleinwagen durch das römische Verkehrschaos chauffieren zu lassen. Auch der damalige Kardinalstaatssekretär Bertone folgte dem Beispiel, indem er auf einen Mittelklassewagen umstieg.

Trotz dieser Zeichen der Bescheidenheit gilt im Vatikan das Privileg, große Wohnungen zu Preisen unterhalb des römischen Durchschnitts zu mieten, weiterhin als Gewohnheitsrecht der Kurie. Selbst ein eher bescheiden auftretender Kurienkardinal wie der Präsident des päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, bewohnt ebenso wie der emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes ein geräumiges Apartment im Palast der vatikanischen Glaubenskongregation. Deren Präfekt, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, lebt mittlerweile in den Räumen, die sein Vorgänger Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., über Jahrzehnte wenige Meter außerhalb des Sankt-Anna-Tors bewohnte.

Müller sieht durch Papst Franziskus denn auch keine wesentlichen Veränderungen: Ein schlichter Lebensstil bedeute nicht, dass das Leben der Kurie würdelos sein müsse. So galt Müller, der ehemalige Bischof von Regensburg, während des öffentlichen Streits um den Limburger Bischof als einer der Fürsprecher von Tebartz-van Elst.

Papst Franziskus indes ermahnte Priester in der Karwoche erneut zum Verzicht auf Prunk und ermutigte sie, die Armut als ihre "Schwester" zu sehen. Ob er mit seiner Äußerung allerdings Unmut über Bertone äußerte - darüber lässt sich in und außerhalb der Mauern des Vatikan nur spekulieren.

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