Rom putzt sich raus für die Heiligsprechung

Die Stadt Rom hat ein gespaltenes Verhältnis zu ihren Zebrastreifen. Beinahe inflationär sind sie über die Straßen der Stadt verteilt, aber ebenso oft verblichen und kaum zu erkennen.

Die römischen Autofahrer haben, wie Touristen immer wieder mit Schrecken erfahren müssen, keinerlei Gespür für die Bedeutung dieser Fußgänger-Überwege. Es muss also etwas ganz Besonderes geschehen, damit Roms Zebrastreifen wie in diesen Tagen in vollem Glanz erstrahlen. Vor der Heiligsprechung zweier Päpste am kommenden Sonntag, zu der Hunderttausende Besucher und Pilger erwartet werden, macht sich die Stadt zurecht.

Wie viele Menschen tatsächlich zu den Heiligsprechungen von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. nach Rom strömen werden, darüber gibt es widersprüchliche Informationen. Erst war von acht Millionen die Rede, dann von drei Millionen, inzwischen haben sich die Verantwortlichen auf die Zahl 800 000 geeinigt. Voll wird es aber in jedem Fall in Rom zu diesem Großereignis, über das Vatikansprecher Federico Lombardi sagt: "Wir laden alle herzlich ein, fröhlich und ohne Angst zu kommen."

Großer Zustrom wird vor allem aus der Heimat des polnischen Papstes Johannes Paul II. erwartet. "Santo subito!" (Sofort heilig!), forderten die Gläubigen nach Karol Wojtylas Tod am 2. April 2005. Nur neun Jahre und einige Schleichwege im strengen kanonischen Recht später ist es am Sonntag so weit. In einer Messe auf dem Petersplatz spricht Papst Franziskus den Papst aus Polen heilig. Eigentlich müssen mindestens fünf Jahre nach dem Tod vergehen, Benedikt eröffnete das Verfahren zur Seligsprechung aber bereits knapp drei Monate nach dem Tod Wojtylas. Auch im Fall der Kanonisation von Johannes XXIII. (1958-1963) erließ Franziskus das notwendige Wunder. Darin sehen manche ein Signal: Der amtierende Papst wolle nicht nur dem charismatischen, aber stets auf moralischen Verboten beharrenden Wojtyla die Ehre erweisen, sondern auch dem sanftmütigen Angelo Giovanni Roncalli, der das Zweite Vatikanische Konzil einberief. Die damals eingeleitete Erneuerung der Kirche setzt Franziskus selbst jetzt so zielstrebig um wie keiner seiner Vorgänger.

Zweifellos liegt die größere Aufmerksamkeit auf Johannes Paul II. Zahlreiche Sonderzüge, Charterflüge und Reisebusse vor allem aus Polen werden in Rom erwartet. Die Nachfrage nach Reliquien Karol Wojtylas ist rege. Mitarbeiter der Kongregation für die Heiligsprechung berichten allein von 400 Bestellungen durch Bischöfe und Priester in aller Welt, die eine Reliquie des Polen für ihre Diözese oder Gemeinde wollen. "Wir haben Blut und Haare", sagt Mitarbeiterin Michèle Smits geschäftsmäßig und weist darauf hin, dass die Versendung der kleinen Reliquiare bereits seit Monaten auf vollen Touren läuft. "Er ist jetzt auch in Russland und sogar in China", sagt Smits, nicht ohne im Unterton auf eine posthume Revolution hinzuweisen. Der Papst, der zum Fall des Kommunismus beitrug, ist nun sogar im ehemaligen Feindesland gefragt.

Die Vorbereitungen der Stadt Rom auf den Pilgeransturm sind da wesentlich profaner. Freie Betten bekommt man nur noch mit göttlichem Beistand oder im Umland, die römischen Hoteliers haben anlässlich des Großereignisses durchschnittlich 60 Prozent auf die normalen Zimmerpreise aufgeschlagen. Selbst die Pilgerherbergen sind ausgebucht. Obwohl die Wettervorhersage keine besonders hohe Temperaturen erwarten lässt, hat eine Getränkefirma vier Millionen Gratis-Flaschen Wasser bereitgestellt und mit dem Sonder-Etikett "Acqua Santa di Roma" (Heiliges Wasser aus Rom) versehen. In der Nähe des Petersplatzes, auf dem am Sonntag um zehn Uhr die Zeremonie beginnt, stehen über 1000 Chemie-Toiletten bereit.

Gedanken haben sich die Organisatoren vor allem um den Zustrom der Gläubigen in den Stunden vor der Heiligsprechung gemacht. Eintrittskarten müssen nur die Mitglieder der 61 ausländischen Delegationen vorweisen, die Sitzplätze beanspruchen können. Alle anderen müssen über die vom Tiber direkt auf den Petersdom zu führende Via della Conciliazione zum Vatikan laufen. Um Zustände wie auf einem Campingplatz zu vermeiden, wird der Zugang erst am Sonntagmorgen ab 5.30 Uhr gestattet. Die Umgebung wird am Vorabend ab 19 Uhr abgesperrt. Etwas mehr als die bereits am Ostersonntag anwesenden 150 000 Menschen können Petersplatz und Via della Conciliazione zwar fassen. Da aber nicht alle Besucher Platz finden können, werden an mehreren größeren Plätzen in der Stadt Großbildleinwände aufgestellt. Wie die geschätzt zwei Milliarden Zuschauer, die die Heiligsprechungen weltweit im Fernsehen und mancherorts sogar in Kinos verfolgen werden, müssen auch die meisten Pilger in Rom mit den Hilfsmitteln der modernen Technologie vorlieb nehmen.

"Es gibt Platz für alle, Rom wird es schaffen", versichert Bürgermeister Ignazio Marino mit Blick auf seine Mitbürger, die angesichts des Zustroms versucht sind, das Weite zu suchen. Wer in der Stadt bleibt, könnte sogar vom Ausnahmezustand profitieren. Nicht nur erwarten Restaurants, Hotels und Einzelhandel Rekordumsätze. Seit Karfreitag bis Anfang Mai ist die am Forum Romanum vorbeiführende Straße eine für Autos gesperrte Flaniermeile. Viele öffentliche Verkehrsmittel, darunter die beiden U-Bahn-Linien Roms, sind rund um die Uhr in Betrieb. Das gilt auch für die meist genutzten Buslinien der Stadt vom Hauptbahnhof Termini Richtung Vatikan. Auf dem Weg nach Sankt Peter hat schon so mancher Rom-Tourist sein blaues Wunder erlebt, denn in den Linien tummeln sich traditionell auch Langfinger. Erst vor wenigen Tagen ertappten Polizeibeamte in Zivil hier mehrere Taschendiebe auf frischer Tat.

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HintergrundSelige und Heilige werden in der Katholischen Kirche als Vorbilder christlichen Lebens verehrt. Die Seligsprechung erlaubt die offizielle Verehrung eines Verstorbenen in einer bestimmten Region, die Heiligsprechung dehnt diese Verehrung auf die gesamte katholische Weltkirche aus. Damit jemand heiliggesprochen werden kann, muss die meist langwierige Seligsprechung vorausgehen. Die letzte Entscheidung über die Heiligsprechung oder Kanonisation liegt beim Papst. Wunder spielen dabei eine zentrale Rolle. Denn es muss der Beweis erbracht werden, dass ein Wunder auf die Fürsprache des Seligen zurückgeht - es sei denn, es handelt sich um einen Märtyrer, der für seinen Glauben gestorben ist. Zu den bekanntesten Seligen und Heiligen zählen neben den Aposteln Petrus und Paulus Franz von Assisi, Hildegard von Bingen oder Mutter Teresa. dpa

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