Seitenhiebe und versteinerte Mienen

Seoul. Erst Zähne zeigen, dann mühsam lächeln. Angela Merkel und Barack Obama führen beim G 20-Gipfel vor, was zur hohen Kunst der Politik gehört. Lange hat es zwischen Berlin und Washington nicht mehr so gekracht. Kaum angekommen in Seoul setzte die Bundeskanzlerin noch eins drauf, belehrte die USA ausgerechnet in Sachen Freiheit des Welthandels

Angespannte Atmosphäre: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama in Seoul. Foto: dpa

Angespannte Atmosphäre: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama in Seoul. Foto: dpa

Seoul. Erst Zähne zeigen, dann mühsam lächeln. Angela Merkel und Barack Obama führen beim G 20-Gipfel vor, was zur hohen Kunst der Politik gehört. Lange hat es zwischen Berlin und Washington nicht mehr so gekracht. Kaum angekommen in Seoul setzte die Bundeskanzlerin noch eins drauf, belehrte die USA ausgerechnet in Sachen Freiheit des Welthandels. Doch jetzt, als sie im Hyatt-Hotel vor den Kameras sitzen, ist es, als versuchten sie krampfhaft einen Schalter umzulegen - es gelingt nur nicht.

Körpersprache spricht Bände: Angela Merkel und Barack Obama sitzen in tiefen Sesseln, dicht nebeneinander. Sie reden von Zusammenarbeit, den Problemen der Weltwirtschaft, doch ihre Mienen wirken versteinert. Zwei Menschen, die sich nicht wohl fühlen miteinander, müssen nah beieinander sitzen.

"Wir arbeiten in der Tat eng und gut zusammen, und das ist, glaube ich, auch absolut notwendig in einer Welt, die die Probleme nur gemeinsam lösen kann." Merkel, deren Sätze ansonsten eher kurz und schnörkellos sind, spricht an diesem Donnerstagnachmittag in Seoul verschachtelt, schwammig - auch das spricht Bände.

Merkel im Glück, Obama in der Krise: Der US-Präsident, der einst strahlende Medienmann, wirkt an diesem Donnerstagnachmittag müde, angespannt. Unbarmherzig leuchtet das Scheinwerferlicht seine Miene aus: Nicht mal 50 Jahre alt ist Obama, doch seine Haare werden zusehends grau. Keine zwei Jahre ist er im Weißen Haus, doch das Amt, die schwere Wirtschaftsflaute, aus der das Land nicht herauskommt, und der Nackenschlag bei den Kongresswahlen haben ihn gezeichnet. Obama wirkt wie ein Mann, der nicht glücklich ist in seiner Haut.

Neben ihm sitzt Angela Merkel. Sie weiß, dass sie es mit dem Charisma Obamas in guten Zeiten niemals aufnehmen kann. Doch sie weiß auch, dass Obama seit den Wahlen angezählt ist. Seit Monaten sucht er verzweifelt den Weg aus der Wirtschaftskrise. Von den Wachstumszahlen, derer sich Merkel derzeit erfreut, kann er nur träumen. Ausgerechnet Deutschland, das Land, das in den Augen Washingtons nicht genügend Konjunkturspritzen gibt, dessen Bürger zu viel sparen und zu wenig konsumieren, verbucht derzeit stärkeres Wachstum als die USA - für viele Amerikaner ist das eine verkehrte Welt.

Selten haben sich Deutschland und die USA derart beharkt. Am härtesten mokierte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble über die jüngsten Mega-Geldspritzen der Zentralbank. Doch auch Merkel lässt in Seoul nicht viel aus. Schon vor dem Gespräch mit Obama demonstriert sie ihr Selbstbewusstsein, redet vor 100 Top-Managern aus aller Welt. Zwar nennt sie die USA nicht beim Namen, doch dass sie die Versuche Obamas meint, die Exporterfolge Chinas und Deutschlands zu deckeln, ist jedem im Saal klar. "Dies wäre unvereinbar mit dem Ziel eines freien Welthandels." Solche Sätze werden in Washington vermutlich lange nicht vergessen.

Auch einen zweiten Seitenhieb kann sich Merkel nicht verkneifen, genüsslich verweist sie auf die üppigen Wachstumsraten "made in Germany" plus einer Arbeitslosigkeit, die derzeit niedriger ist als vor der Krise - den Amerikanern werden die Ohren klingeln. Dann noch ein Schlenker mit Blick auf die USA. Die Industrieländer, so Merkel, müssten sich aus den Milliarden-Konjunkturprogrammen allmählich zurückziehen, Defizite und Schulden abbauen, Deutschland jedenfalls mache ernst.

Auch Obama zierte sich sich in Seoul nicht. "Länder wie Deutschland profitieren von unserem offenen Markt und davon, dass wir ihre Waren kaufen." Auch das klingt verdächtig nach Belehrung. "Das Wichtigste, was die USA für die Weltwirtschaft tun können, ist es, zu wachsen." Nach wie vor seien die USA der größte Markt der Erde - eine versteckte Warnung, dass die USA immer noch der wichtigste Player sind? Allzu viel schöne Worte waren einfach nicht angesagt. Selbst bei der Begrüßung soll Obama auf Nettigkeiten verzichtet haben.

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