Neue Kampfansage gegen alte Dreckschleudern

Paris · Der VW-Dieselskandal schüttelt die Autobauer immer noch kräftig durch. Sie wollen auf der Automesse in Paris aber lieber über andere Dinge reden, vor allem die Elektroautos der Zukunft. Doch die Autokäufer sind skeptisch.

 Sie stinken und schaden der Umwelt – Diesel- und Benzinautos. Den alternativen Elektromotoren fehlt bislang das entscheidende Kaufargument: genug Reichweite. Fotos: dpa

Sie stinken und schaden der Umwelt – Diesel- und Benzinautos. Den alternativen Elektromotoren fehlt bislang das entscheidende Kaufargument: genug Reichweite. Fotos: dpa

Geld, die Aussicht auf leise und saubere Autos - genutzt hat es bislang alles nichts. Die Autokäufer sind offenbar nach wie vor nicht überzeugt von der angepriesenen neuen Autowelt mit Elektromotor. Selbst mehrere tausend Euro Kaufanreiz für die Strom-Autos von Bundesregierung und Herstellern elektrisieren in Deutschland kaum. Zuletzt lag der Anteil an den Neuzulassungen immer noch bei unter zwei Prozent.

Das ist viel zu wenig, finden die Grünen. Ihnen geht die Energiewende auf den Straßen deutlich zu langsam voran. Ihre Vorstellung: Von 2030 an sollen in der Bundesrepublik keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr neu zugelassen werden. Das fordert zumindest der Bundesvorstand in einem Antrag für den Bundesparteitag der Partei im November in Münster. "Immer mehr Autos weltweit sind eine der größten Bedrohungen für das Klima und für die menschliche Gesundheit", heißt es in dem Papier. Die Autoindustrie schüttelt nur mit dem Kopf: "Das geht auf keinen Fall, und das geht in keinem Industrieland der Welt", sagte gestern ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie.

Dabei wollen die Autobauer die Elektromobilität in Deutschland durchaus nach vorn bringen: Mit erklecklicher Reichweite bei neuen Modellen soll jetzt endlich eine wichtige Hürde für die Anschaffung fallen. Neben dem relativ hohen Preis und den vergleichsweise geringen Lademöglichkeiten führten Experten sie bislang als Grund für das stiefmütterliche Dasein des Elektromotors auf den Straßen an. "Wir sind überzeugt, dass der Markt jetzt so weit ist", betonte jüngst Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber.

Dabei ist die Reichweiten-Angabe, also wie viele Kilometer ein Auto mit einer Ladung Strom schafft, so plakativ wie bisher die Liter-Verbrauchswerte von Verbrennungsmotoren. Gemessen wird sie übrigens auf dem gleichen Prüfstand wie Benziner und Diesel: Ein reines E-Auto fährt zweimal einen Testzyklus mit voller Batterie, danach wird jeweils gemessen, wie viel der Akku an Strom neu aufsaugt. Aus dem Verbrauch und der Gesamtkapazität der Batterie wird die Reichweite errechnet. Die magische Grenze liegt bei 500 Kilometern. Mit solchen Distanzen ärgert Pionier Tesla die etablierten Hersteller schon lange.

Auf dem Autosalon in Paris überschlagen sie sich derzeit mit Kampfansagen: So soll der Opel Ampera-e nun diese Grenze schaffen. VWs kompaktes Konzeptauto I.D., das bis 2020 marktreif sein soll, auch. Genau wie die neue Produktmarke EQ von Mercedes.

Aber warum ist die Reichweite so wichtig? "500 Kilometer sind eine rein psychologische Grenze", sagt Peter Fuß, Autoexperte der Strategieberatung EY. Das gebe dem Verbraucher Sicherheit. Denn wirklich nötig, so Fuß, haben das die meisten Autofahrer nicht: "Studien zufolge fahren die Menschen mit ihren Autos im Schnitt 22 Kilometer pro Tag." Allerdings verliere auch die Frage der Infrastruktur damit an Bedeutung. Denn wenn die Autos mit einer Ladung weiter kommen, sind am Ende auch weniger Ladesäulen notwendig.

Möglich werden die neuen Distanzen dank weiterentwickelter Batterietechnologien. Autoindustrie-Manager rechnen etwa 2020 mit der Zeitenwende. Dann sollen die eingebauten Stromtanks zweieinhalb Mal soviel Leistung ermöglichen wie noch vor wenigen Jahren. Eine wirkliche Veränderung für den Kunden allerdings, so ist man bei der Aachener Ingenieurberatung P3 überzeugt, bringen die monatlichen Gesamtkosten, die der Autofahrer schultern muss. Zwar ist die Anschaffung eines Elektroautos auch mit der staatlichen Kaufprämie noch teurer. Verbrauch und Unterhalt rechnen sich aber, denn die E-Motoren und Batterien müssen seltener gewartet werden. Zudem dürften in den folgenden Jahren die Kosten für die Batterien und die Ladestation zu Hause in der Garage weiter drastisch sinken.

"Der Preis bleibt allerdings ein Problem - auch mit Kaufprämie", glaubt Fuß. "Die Restwerte der frühen Elektroautos werden signifikant unter den Restwerten künftiger Elektrofahrzeuge mit deutlich größerer Reichweite liegen." Heißt: Wer zu früh kauft, dem droht beim rasanten technischen Fortschritt schnell der Wertverfall.

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Hintergrund Im Saarland sind Elektroautos noch absolute Mangelware. Laut Kraftfahrt-Bundesamt sind 220 Pkw mit E-Motoren unterwegs. Die meisten davon (75) im Raum Saarbrücken. Im Vorjahr waren es hierzulande 164 E-Autos (Saarbrücken: 56). Deutschlandweit steigen die Zahlen ebenfalls. 2015 zählte das Bundesamt 18 948 Elektro-Fahrzeuge. In diesem Jahr sollen es bereits 25 802 Autos sein. pbe

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