Gibt es in Deutschland bald einen Fall Jones?

Saarbrücken/Berlin · Justizminister Heiko Maas und sein Kabinettskollege, Innenminister Thomas de Maizière, präsentieren heute das Anti-Doping-Gesetz. Ging es bisher nur um die Hintermänner, drohen nun den Dopern selbst lange Haftstrafen.

Es ist der Tiefpunkt ihres Lebens: Marion Jones fleht Richter Kenneth Karas im Gericht von White Plains an. "Ich bitte sie, so gnädig zu sein, wie ein Mensch nur sein kann." Doch Karas kennt an diesem Freitag im Januar 2008 keine Gnade. Er schickt die einst schnellste Frau der Welt und zweifache Mutter, die jahrelang vor dem Auffliegen als Doperin davongelaufen ist, als erste Sportlerin überhaupt hinter Gitter - für sechs Monate. Am Ende wurden ihr eidliche Falschaussagen zum Verhängnis.

Anders in Deutschland. Auch hier versinken immer wieder Spitzensportler wie Claudia Pechstein (Eisschnelllauf), Dieter Baumann (Leichtathletik), Jan Ulrich und Erik Zabel (beide Radsport) im Doping-Sumpf. Ins Gefängnis musste bisher keiner. Wenn es nach dem Willen Berlins geht, wird sich das künftig ändern. Das Kabinett hat ein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg gebracht, das für Spitzensportler empfindliche Haftstrafen vorsieht. Justizminister Heiko Maas (SPD ) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) werden heute einen entsprechenden Entwurf vorstellen. Vor allem die Sportler rücken in den Fokus der Strafverfolgung: Spitzenathleten, die verbotene Mittel zum Doping nehmen oder in nur kleinen Mengen besitzen, müssen mit Gefängnis von bis zu drei Jahren oder empfindlichen Geldstrafen rechnen. 2015 soll das Gesetz abgesegnet werden. "Das ist ein Riesenschritt in Sachen effektiver Doping-Bekämpfung", sagte Clemens Prokop, Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und Verfechter eines Gesetzes gegen Doping .

Bisherige Regelungen wie das Arzneimittelgesetz sind auf die Hintermänner des Dopings ausgerichtet. Strafbar machten sich dopende Leistungssportler bisher nicht. In der Begründung zum Gesetzentwurf werden sie nun als "Kern des Unrechts" bezeichnet, die die Integrität des organisierten Sports gefährden. Erfasst werden vom Gesetz nur die rund 7000 Topathleten, die Mitglied eines Testpools des nationalen Doping-Kontrollsystems sind oder durch den Sport "erhebliche Einnahmen" erzielen. Auf Freizeitsportler zielt der Strafen-Katalog nicht.

Einhergehend mit dem Verbot des Selbstdopings soll durch das Anti-Doping-Gesetz der Erwerb und Besitz von Dopingmitteln ohne Mengenbegrenzung unter Strafe gestellt werden. Dafür ist ein Strafmaß von bis zu zwei Jahren vorgesehen. Mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren sollen Hintermänner bestraft werden, wenn sie "die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährden" oder Sportler einer tödlichen Gefahr durch Doping aussetzen.

Für die härtere Gangart gegen Doping gab es an der Saar Zuspruch. "Man muss dringend gezielt gegen die vorgehen, die an diesem dreckigen Geschäft verdienen", sagte Claudia Kohde-Kilsch, Sprecherin der Links-Fraktion und einstige Profi-Tennisspielerin. Auch Klaus Meiser (CDU ), Chef des Landessportverbands, forderte, Doping "konsequent" zu bekämpfen. Doch er mahnt: "Wir brauchen schnelle Verfahren vor den staatlichen Gerichten." Sollte ein Verband einen Sportler sperren und das Gericht käme nach langen Verhandlungen zum Freispruch, könnten Schadenersatzansprüche drohen. Er rät, die Verfahren an einem Gericht zu bündeln.

Ein zentraler Punkt des Gesetzentwurfs ist die Sportgerichtsbarkeit. Sie soll von der staatlichen Verfolgung nicht ersetzt werden und weiter Athleten für Wettkämpfe bei Doping sperren können. Auch Marion Jones wurde für zwei Jahre vom Weltverband gesperrt. Ihr Leben als Sprintstar war damit vorbei. Sie sorgt dennoch für positive Schlagzeilen. Als Diplomatin reist die überführte Doperin durchs Land, erzählt Jugendlichen ihre Lebensgeschichte und bewahrt sie vielleicht so davor, vom rechten Weg abzukommen.

MeinungViel hilft viel

Von SZ-Redakteur Thomas Schäfer

Die Lügengeschichten von Baron Münchhausen sind legendär. Jedes Kind kennt die Anekdote, wie er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Kein Mensch glaubt das, und doch traute man dem Sport zu, sich am eigenen Schopf aus dem tiefen, tiefen Doping-Sumpf zu befreien. Nach immer neuen Skandalen besinnt sich die Politik jetzt und bringt ein scharfes Anti-Doping-Gesetz auf den Weg. Endlich hat sie erkannt, dass die Selbstkontrolle des Sports nicht funktionieren kann im ewigen Spagat zwischen Doping-Ächtung und grenzenlosem Erfolgshunger. Ob das neue Gesetz, wie immer es am Ende aussehen mag, seinen Zweck erfüllt und die schwärzesten Schafe irgendwann tatsächlich hinter Gittern landen, ist fraglich. Im Kampf gegen Manipulationen im Sport gilt jedoch: Viel hilft viel. Den riesigen Doping-Sumpf aber wird auch dieses Abschreckungs-Gesetz nicht trockenlegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort