Hin und Her bei der Rente

Würzburg · Mehr Rente scheint den Ruheständlern in Deutschland auch im nächsten Jahr wieder sicher – doch mehrere Milliarden Euro bleiben ihnen vorenthalten. Grund für Empörung?

Unter anderen Bedingungen könnten sich die gut 20 Millionen Rentner Mitte 2015 auf ein sattes Rentenplus von fast drei bis vier Prozent freuen. Nun dürften es nach Lage der Dinge wohl eher ein bis zwei Prozent werden. Das gab die Deutsche Rentenversicherung Bund gestern in Würzburg bekannt. Dies bedeutet immer noch mehr Kaufkraft, denn die Inflationsrate liegt darunter. Doch warum gibt es nicht den deutlich höheren Aufschlag?

Zum einen wirkt sich die Entscheidung der Bundesregierung vom Start der Legislaturperiode aus, auf eine mögliche Beitragssatzsteigerung um 0,6 Prozentpunkte zu verzichten. Schließlich sollte genug Geld in der Kasse sein, um etwa die Mütterrente zu finanzieren. Die Höhe des Rentenbeitragssatzes aber, sie wirkt sich auch auf die Renten selbst aus.

Wenn die Beschäftigten bei sinkenden Beiträgen mehr Netto vom Brutto haben, wirkt sich das rentensteigernd aus. Laut der Vorstandsvorsitzenden der Rentenversicherung, Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund, wäre eine Rentenerhöhung um 0,8 Punkte greifbar gewesen, wäre der Satz gesenkt worden.

Dazu kommt 2015 ein einmaliger statistischer Effekt. "Das ist eine Veränderung der Statistik, die seit Jahren zwischen Regierung und Sozialversicherungsträgern diskutiert wurde", erläutert Buntenbach. Sie geht auf EU-Vorgaben zurück - und bringt mit sich, dass das für die Rentenberechnung wichtige Niveau der Durchschnittslöhne laut der so genannten volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung um rund 0,9 Prozent niedriger ausgewiesen wird.

Denn in die Statistik gehen nun mehr Beschäftigte mit niedrigerem Lohn ein, etwa Menschen mit Behinderung in Werkstätten. Die Erhöhung der Renten fällt durch diesen Effekt um 1,1 Prozentpunkte oder gut 2,4 Milliarden Euro niedriger aus.

Doch es ist ein Hin und Her bei der Rentenanpassung. "2016 fällt sie dagegen höher aus", sagt Buntenbach voraus. Denn Maßgabe ist längerfristig nicht die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, es sind die tatsächlichen beitragspflichtigen Löhne.

Sozialpolitiker wie Peter Weiß (CDU ) legen Wert darauf, die mögliche Verunsicherung, ja vielleicht sogar Empörung vieler Rentner möglichst klein zu halten. "Zwar gibt es jetzt durch die neue Berechnungsmethode eine geringere Anpassung", sagt der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, "aber das wird auf jeden Fall im Jahr darauf wieder korrigiert."

Bereits seit Tagen klar ist: Der Beitragssatz sinkt 2015 um 0,2 Punkte auf 18,7 Prozent. Vier Jahre dürfte er nach aktueller Schätzung stabil blieben und 2019 auf 19,1 Prozent steigen. Denn dann gehen die eisernen Reserven der Rentenkasse zur Neige - die Nachhaltigkeitsrücklage dürfte die Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben der Rentenversicherung unterschreiten. Rente auf Pump soll aber auf jeden Fall verhindert werden, sagt Weiß: "Bei den Rentenfinanzen ist dann kein Spielraum mehr."

Eine ganz andere Frage ist, wie stark die Rente künftig noch den Lohn wirklich ersetzen kann. Das Rentenniveau - netto, vor Steuern - dürfte 2015 von 48 auf 47,1 Prozent des Durchschnittseinkommens sinken. "Im Moment laufen wir auf eine Lawine der Altersarmut zu", mahnt der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider.

"Seit Jahren gilt die Strategie, den Beitragssatz auf jeden Fall stabil zu halten", kritisiert Schneider. Stattdessen müsse nun verstärkt darauf geachtet werden, dass zum Beispiel auch gering verdienende Erzieherinnen oder Pflegekräfte im Ruhestand nicht in die Grundsicherung abrutschen. Doch angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft findet seine Forderung nach einer Absicherung des Rentenniveaus bei mindestens 50 Prozent in der Politik wenig Gehör - zumal bei den derzeit zunehmenden Konjunktursorgen.

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