Ex-Grünenchef Cem Özdemir über seine Corona-Erkrankung „Es hat mich zum Glück nicht doll erwischt“

Berlin · Der mit Corona infizierte frühere Grünen-Chef ruft die Bürger dazu auf, das Virus ernst zu nehmen und sich an die Ausgangsbeschränkungen zu halten.

Die Krise kann das Vertrauen in die Demokratie wieder stärken, glaubt der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir.   Foto: Schmidt/dpa

Die Krise kann das Vertrauen in die Demokratie wieder stärken, glaubt der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir. Foto: Schmidt/dpa

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Der frühere Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hat das Coronavirus. Der 54-Jährige lebt seit knapp einer Woche mit seiner Familie in häuslicher Quarantäne. Ein Gespräch mit ihm über diszipliniertes Leben und Populisten in Krisenzeiten.

Herr Özdemir, wie geht es Ihnen im Moment?

ÖZDEMIR Gut soweit, es hat mich zum Glück nicht doll erwischt. Ich habe meine Ansteckung öffentlich gemacht, um zu zeigen, dass der Virus jeden treffen kann. Wir alle müssen das wirklich ernst nehmen und zu Hause bleiben.

Waren Sie geschockt, als Sie die Diagnose bekommen haben, an Corona erkrankt zu sein?

ÖZDEMIR Auch wenn man da­rauf wirklich verzichten kann, überrascht war ich nicht wirklich, weil ich jemanden getroffen hatte, der nachher positiv getestet worden ist. Nur deswegen habe ich auch einen Test bekommen. Es war toll zu sehen, wie viele Menschen sich sofort mit aufmunternden Worten und Genesungswünschen bei mir gemeldet haben.

Ihre ganze Familie steht unter Quarantäne – wie vertreiben Sie sich die Zeit?

ÖZDEMIR Ich versuche, diszipliniert zu bleiben. Also stehe ich früh auf, rasiere mich wie gewohnt und bringe den Tag möglichst strukturiert über die Bühne. Ich habe zwei Kinder, denen ich vorleben möchte, dass man nicht verlottert. Wir gucken Filme, lesen Bücher, ich bin leidenschaftlicher Zeitungsleser. Aber ich achte auch darauf, dass meine Kinder jeden Tag Aufgaben für die Schule machen. Ich bin jetzt gewissermaßen auch Hauslehrer. Als ehemaliger Erzieher und Sozialpädagoge hilft mir da meine frühere Qualifikation.

Es gab regierungsnahe türkische Medien, die Ihre Erkrankung gefeiert haben. Schmerzt Sie das?

ÖZDEMIR Das erinnert an die Kanzlerin und an das, was mancher Zeitgenosse abgesondert hat, als Frau Merkel in Quarantäne gegangen ist. Für mich ist klar: Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen.

Wie meinen Sie das?

ÖZDEMIR Es gibt viele Menschen, die immer noch jeden Tag für uns alle zur Arbeit gehen. Die packen an. Und dann gibt es eben andere, die auch in so einer Lage weiter Hass säen und hetzen. Das sind in meinem Fall türkische Nationalisten, aber auch deutsche Nationalisten von der AfD. Ich hoffe sehr, dass die Bürger sich das merken und der nächste Wahltag zum Zahltag wird.

Kann die Krise das Vertrauen in die Demokratie wieder stärken?

ÖZDEMIR Daran glaube ich. Die Bundesregierung und die Landesregierungen zeigen derzeit, dass unser Land schnell handlungsfähig ist. Sicherlich gibt es keinen Stein der Weisen, keine ultimative Maßnahme, die alles richtet. Und wir müssen auch nachsteuern und nachbessern im Lichte der Entwicklung. Aber alle sind sehr bemüht, die Infektionskurve flachzuhalten und diese Krise schnell zu überstehen. Jetzt zeigt sich eben der Unterschied zu den Ländern, in denen Populisten oder Fanatiker das Sagen haben. Da wird ignoriert, verkannt, beschwichtigt, falsch gehandelt.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der Bundesländer?

ÖZDEMIR Der Föderalismus muss sich jetzt in besonderer Weise bewähren. Da sind Tempo und enge Abstimmungen gefragt. Das ist im Großen und Ganzen gelungen. Und ich finde es besonders klasse, wenn Länder wie das Saarland, Baden-Württemberg und jetzt Sachsen sich auch um Schwerstkranke aus ihren Nachbarländern kümmern.

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