Kommission setzt auf Künstliche Intelligenz und lernfähige Algorithmen Die EU will so gut wie Apple & Co werden

Brüssel · Die Brüsseler Kommission setzt auf Künstliche Intelligenz und lernfähige Algorithmen. Von der Leyen will im Haushaltsausschuss um Mittelzusagen werben.

Europa will nicht mehr nur von der Zukunft voller Algorithmen träumen. „Heute stellen wir unsere Ziele für die digitale Gestaltung vor“, sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, fast ein wenig feierlich, als sie und ihre zuständigen Kommissare am Mittwoch die „Strategie für Daten und künstliche Intelligenz“ präsentierten. Es ist ein dreiteiliges Projekt zu Künstlicher Intelligenz, einem europäischen Datenraum und einem Aktionsplan zur Umsetzung, damit die Gemeinschaft auf einer Augenhöhe mit den Konzernen des amerikanischen Silicon Valley oder dem chinesischen Unternehmen Ali Baba agieren kann. „Wir wollen, dass jeder Bürger, jeder Mitarbeiter, jedes Unternehmen eine faire Chance haben, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen“, erklärte Vize-Kommissionschefin Margrethe Vestager bei der Vorstellung. „Egal, ob es darum geht, das Autofahren sicherer oder immer mehr Fahrzeuge weniger umweltschädlich zu machen.“ Der Weg dorthin soll über einen europäischen Datenraum führen, in dem persönliche Informationen geschützt, aber auch weniger sensible Daten genutzt werden können. Nach Angabe der EU-Behörde werden rund 85 Prozent der produzierten Daten nicht genutzt – eine noch nicht erschlossene „Goldmine“.

 Es geht um Wirtschaftsinformationen, anonymisierte Mobilitätsdaten, von Flugzeugen erfasste Wettermeldungen, Satellitenbilder, aber auch industrielle und Geschäftsdaten beispielsweise zur Leistung von Motoren oder Maschinen. Software und Algorithmen werden immer intelligenter dadurch, dass sie diese Daten auswerten, kombinieren, sich durch Lernprozesse selbst entwickeln. Irgendwann sind sie in der Lage, wiederkehrende Muster zu erkennen. Für die Mediziner, die neue Methoden gegen Brustkrebs entwickeln wollen, wäre das eine große Hilfe. Aber dazu müsste man auf die nationalen und teilweise regionalen Krebsregister zugreifen. Bisher sind die Daten nicht einmal harmonisiert. Um sie verfügbar zu machen, will die Kommission den Datenschutz weiterentwickeln, aber auch die Einhaltung von Privatsphäre und die Unverletzbarkeit intimer Information sicherstellen. Das gelte, so wurde in Brüssel betont, vor allem für die Anwendung im Gesundheitsbereich, bei Polizei und Sicherheitsbehörden. „Das Recht an den Informationen über die eigene Person wird nicht ausgehebelt, sondern bewahrt und verstärkt“, wurde gestern betont.

Doch der Weg dahin ist weit und vor allem teuer. Die EU-Zentrale bezifferte die Kosten auf rund 190 Milliarden Euro pro Jahr bis ins Jahr 2030. Beim heute beginnenden Haushaltsgipfel der 27 Staats- und Regierungschefs will von der Leyen um entsprechende Mittelzusagen werben. Die Wirtschaft soll ihren Teil an den Investitionen übernehmen. Die Vorteile kämen allen zugute.

„Europa muss bei der Festlegung dieser Standards weltweit führend werden“, sagte gestern Axel Voss, Sprecher der Christdemokraten im Rechtsausschuss des EU-Parlamentes. Dass die EU sich tatsächlich in eine Richtung bewegt, die für die digitale Branche der Zukunft von entscheidender Bedeutung sein könnte, zeigte sich in Brüssel während der vergangenen Wochen. Die Konzernchefs von Facebook, Amazon und der Google-Holding „Alphabet“ waren persönlich da – wie auch der Apple-Chef für Künstliche Intelligenz. Alle unterstützen eine Regulierung des neuen Marktes. Aber sie bestehen auch darauf, beteiligt zu werden. In den kommenden Monaten will die EU-Kommission in einer Konsultation vor allem ethische Fragen mit Unternehmen, Bürgern und Experten diskutieren. Denn Künstliche Intelligenz kann zwar Daten nutzen. Aber sie kann keine Verantwortung für das übernehmen, was sie anrichtet.

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