Brüssel und die Corona-Pandemie Der EU-Kommissar und die Golf-Party in Pandemie-Zeiten

Brüssel · Phil Hogans private Abstecher in Irland werden zu einer Affäre. Ist Europas oberster Handelsexperte noch zu halten?

 Ist einer riskanten Sause in Corona-Zeiten nicht abgeneigt: EU-Kommissar Phil Hogan.

Ist einer riskanten Sause in Corona-Zeiten nicht abgeneigt: EU-Kommissar Phil Hogan.

Foto: AP/Virginia Mayo

Der Termin war nobel und feierlich. Die Folgen aber wachsen sich gerade zu einer handfesten Affäre in Brüssel aus. Aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens hatte die parlamentarische Golfvereinigung der Republik Irland in der Vorwoche zu einem fürstlichen Dinner geladen. Da mochte der aus Kilkenny stammende EU-Kommissar für Handelsfragen, Phil Hogan (60), nicht fehlen. Es war offenbar ein illustrer Abend, an dem 80 Leute auch aus der hohen Politik zusammenkamen. Bei der anschließenden Tombola gewann der aus Brüssel angereiste Hogan sogar noch einen Kontaktgrill. Die Freude dauerte allerdings nur so lange, bis die irischen Medien Wind von der Sause bekamen. Denn in Irland gelten strikte Kontaktbeschränkungen, um eine Infektionswelle durch das Coronavirus zu verhindern. In geschlossen Räumen dürfen gerade mal sechs Menschen aus zwei Haus­ständen zusammenkommen, im Freien maximal 15. Aber 80 Menschen in einem irischen Club? Das geht gar nicht. Konsequenterweise trat bereits ein Mitglied der Golf-Runde zurück: Der irische Landwirtschaftsminister Dara Calleary legte nach nur wenigen Wochen im Amt sein Mandat nieder.

Unmittelbar nach den ersten Berichten forderte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine Stellungnahme ihres Kommissars. Der lieferte am Sonntag 20 Seiten ab, die seither geprüft werden. Doch noch vor einer Entscheidung sickerte durch, dass Hogan wohl schludrig gearbeitet hatte. Laut Irish Times fehlt beispielsweise ein Abstecher in sein privates Domizil in der Grafschaft Kildare, die eigentlich wegen der stark erhöhten Infektionszahlen abgeriegelt ist. Außerdem hatte der Kommissar nicht die vorgeschriebene 14-tägige Quarantäne eingehalten, die bei der Einreise aus einer „roten Zone“ automatisch gilt. Brüssel ist ein solches Hochrisikogebiet. Wer von dort nach Irland zurückkehrt, muss in die Isolation – auch Politiker. Inzwischen kritisierten der irische Premierminister Micheál Martin und sein Stellvertreter Leo Varadkar den Kommissar scharf. Es sei „klar“, dass er „Verstöße gegen die Richtlinien der öffentlichen Gesundheit begangen habe“ und „seine verzögerte und zögerliche Veröffentlichung von Informationen untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit“. Zwar entschuldigte sich Hogan in einem Fernseh-Interview: „Ich bin mir des Risikos und der Verärgerung des irischen Volkes, die meine Teilnahme an dem Ereignis in dieser für alle schwierigen Zeit ausgelöst hat, vollkommen bewusst und es tut mir unendlich leid.“ Doch dieser Satz erschien schon am nächsten Morgen nur wenig glaubhaft, denn am gestrigen Mittwoch kamen die neuen Enthüllungen ans Licht.

Der 60-jährige Hogan gehört der Partei Fine Gael an, die mit zwei weiteren Koalitionspartnern die irische Regierung bildet. Bevor er in die Politik kam, war er als Versicherungsmakler und Auktionator tätig. Danach wechselte Hogan zunächst in die Kommunalpolitik, ehe er 2011 Umweltminister wurde und 2014 als Agrarkommissar nach Brüssel ging. In der Kommission von Ursula von der Leyen übernahm er 2019 das Handelsressort. Ob die Präsidentin nun die Reißleine zieht und Hogan entlässt, war am Mittwoch noch unklar.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort