Vor London-Besuch Trump ist für Johnson und den „No Deal“

London · In die Personaldebatten anderer Länder mischen sich ausländische Staatsgäste eigentlich nicht ein. Den US-Präsidenten kümmert das vor seinem Besuch in Großbritannien nicht.

  Ein Brexit-Gegner prangerte schon vor dem Referendum von 2016 auf diesem Graffiti in Bristol eine enge Beziehung zwischen Trump und Johnson an.

Ein Brexit-Gegner prangerte schon vor dem Referendum von 2016 auf diesem Graffiti in Bristol eine enge Beziehung zwischen Trump und Johnson an.

Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com/dpa Picture-Alliance / Simon Chapman

Kurz vor seinem Staatsbesuch in Großbritannien hat US-Präsident Donald Trump in zwei aufsehenerregenden Interviews die Brexit-Debatte angeheizt und klar Stellung bezogen. Im Gespräch mit der „Sun“ erklärte er seine Sympathie für Boris Johnson als Nachfolger der aus dem Amt scheidenden britischen Premierministerin Theresa May. In einem Interview der Zeitung „Sunday Times“ empfahl er notfalls einen „No-Deal“-Brexit.

„Wenn sie nicht kriegen, was sie wollen, dann würde ich rausgehen“, sagte er auf die Frage, was er dem Nachfolger der scheidenden Premierministerin Theresa May raten würde. „Wenn Du nicht den Deal kriegst, den Du möchtest, wenn Du keinen fairen Deal kriegst, dann gehst Du raus.“ Auf dem Tisch liegt derzeit ein von May ausgehandelter Deal, der im britischen Unterhaus mehrmals scheiterte und den die britischen Konservativen als zu EU-freundlich ansehen.

Zur möglichen Wahl Johnsons zum neuen Parteivorsitzenden der Konservativen und damit möglicherweise auch zum nächsten britischen Premierminister sagte Trump: „Ich kenne die verschiedenen Akteure. Aber ich denke, Boris würde einen sehr guten Job machen. Ich glaube, er würde ausgezeichnet sein“, sagte Trump der „Sun“. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton warb in einem anderen Interview mit der britischen Zeitung „The Telegraph“ ebenfalls eindringlich für den Brexit.

Die Sichtweise Trumps und Boltons entspricht den Vorgaben konservativer US-Kreise, etwa in dem Think Tank „Heritage Foundation“, die seit langem einen „No-Deal“-Brex­it als US-Interesse darstellen. Hintergrund ist die Aussicht auf ein Handelsabkommen nach Washingtoner Geschmack, mit den zwei dann deregulierten Finanzzentren London und New York im Zentrum. Die Londoner City könnte dann nach Singapurer Vorbild zu einem Steuerparadies werden.

Der US-Präsident wird mit First Lady Melania am Montag zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Großbritannien erwartet. Geplant sind unter anderem ein Treffen mit May und die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung in Portsmouth zum 75. Jahrestag des D-Day – der Landung der Alliierten in der Normandie im Zweiten Weltkrieg. Trumps Besuch ist hoch umstritten, daher wird mit heftigen Protesten in England gerechnet.

Trump hatte der „Sun“ bereits bei seinem letzten Besuch im vergangenen Jahr ein Interview gegeben, in dem er May düpierte. Darin warf er der Premierministerin vor, seine Ratschläge bezüglich des EU-Austritts ignoriert zu haben.

May hatte nach einem monatelangen Machtkampf rund um den Brexit vor einigen Tagen ihren Rücktritt angekündigt. Johnson brachte sich umgehend als möglicher Nachfolger in Stellung und drohte mit einem EU-Austritt ohne Abkommen.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, übte scharfe Kritik an Trumps Verhalten. „Das ist ein völlig unakzeptabler Eingriff in die Demokratie unseres Landes“, teilte der Alt-Linke mit. Der nächste Premierminister sollte weder vom US-Präsidenten noch von 100 000 nicht-repräsentativen Mitgliedern der Konservativen Partei bestimmt werden, sondern von den Briten in allgemeinen Wahlen.“ Corbyn wittert seit längerem seine Chance in Neuwahlen.

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