Geld für Flüchtlinge Kein Treffen unter besten Freunden

Brüssel · Die Gesprächsatmosphäre zwischen EU und Erdogan hinsichtlich der Flüchtlingsfrage ist unterkühlt: Brüssel besteht auf einem Entgegenkommen, ehe es über mehr Geld redet.

  Schwierige Gespräche: Charles Michel (rechts), Präsident des Europäischen Rates, Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission,  Mevlut Cavusoglu, Außenminister der Türkei und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (vorne links) vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU mit der Türkei.  Foto: Dario Pignatelli/EU Council/dpa

Schwierige Gespräche: Charles Michel (rechts), Präsident des Europäischen Rates, Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission,  Mevlut Cavusoglu, Außenminister der Türkei und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (vorne links) vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU mit der Türkei. Foto: Dario Pignatelli/EU Council/dpa

Foto: dpa/Dario Pignatelli

Es gibt Signale, die mehr über ein Krisentreffen sagen, als die offiziellen Floskeln. Zwei Stunden lang sprachen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel am Montagabend mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Doch der anschließenden Pressekonferenz blieb der Mann aus Ankara fern. „Es war ein guter, konstruktiver Dialog“, sagte von der Leyen. „Wir haben unsere unterschiedlichen Ansichten offen ausgetauscht“, ergänzte Michel. Was so viel heißt wie: „Die Gespräche haben gerade erst begonnen.“ Fest steht nach diesem kurzfristigen Krisengipfel offenbar nur, dass der EU-Türkei-Deal von 2016 wiederbelebt und umgesetzt werden soll. „Wir haben festgestellt: Die Migranten brauchen Hilfe. Die Türkei braucht Unterstützung. Griechenland braucht Unterstützung“, sagte von der Leyen. In den kommenden Tagen soll nun der Außenbeauftragte der EU, Josep Borell, mit Ankaras Außenminister Mesut Cavusoglu weiter verhandeln. „Wir wollen vorankommen“, hieß es am Abend.

Echte Aufbruchsstimmung klingt allerdings anders. Schon bei der Begrüßung blieb die Atmosphäre frostig: kein Händedruck, kein Lächeln. Da kamen zwei Parteien zusammen, die einander in herzlicher Abneigung verbunden sind, obwohl sie sich gegenseitig brauchen. Michel will nun die Mitgliedstaaten über das informieren, was Erdogan nur hinter verschlossenen Türen sagte und was auch zunächst nicht breitgetreten werden soll, obwohl es längst jeder weiß: Der Präsident aus Ankara fordert erstens die volle Auszahlung der versprochenen sechs Milliarden Euro aus dem Deal mit der EU von 2016 und – weil inzwischen sehr viel mehr Menschen aus Syrien geflohen sind – weitere Gelder. Im Prinzip zeigte sich die EU-Spitze dafür sogar aufgeschlossen. Der Knackpunkt liegt an anderer Stelle: Der türkische Präsident wünscht eine Überweisung der europäischen Hilfsgelder an seine Regierung, was Brüssel in den vergangenen Jahren stets verweigert hat, um sicherzustellen, dass die finanzielle Unterstützung auch tatsächlich vor Ort ankommt. Man wollte vermeiden, dass Erdogan mit EU-Geldern seine militärischen Aktivitäten bezahlt. Genau das hat er aber vor, wie Eingeweihte aus den Spitzentreffen bei der Nato und aus bisherigen Gesprächen berichteten.

Hinzu kommt, dass die Türkei auf eine Wiederbelebung aller früheren, aber noch unerledigten Zusagen der Gemeinschaft setzt. Das beginnt bei der visafreien Einreise und der Fortsetzung der Beitrittsgespräche. Und es geht bis hin zur europäischen Mithilfe bei der Errichtung einer Schutzzone in Nordsyrien, die Ankara nach dem Abzug der Amerikaner zunächst selbst vorantreiben wollte, gegen die Koalition aus russischen Truppen und jenen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad aber nichts ausrichten konnte.

In Brüssel war gestern vor dem Treffen wenig Bereitschaft erkennbar, Erdogans Wunschliste zu akzeptieren. Sowohl die visafreie Einreise in die EU für türkische Staatsbürger als auch eine Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche blockiert Ankara selbst. Die Union verlangt zuvor humanitäre Änderungen der Innenpolitik, die Abschaffung des umstrittenen Terror-Paragraphen und die Freilassung politischer Häftlinge. Erdogans Bereitschaft dazu tendiert gegen null.

Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte am Montag gleich drei Grundforderungen auf: Neben der Rückkehr zum Türkei-Deal (also der Schließung der türkischen Grenze Richtung Europa) müssten die Flüchtlinge vor dem Grenzzaun in humanitärer Weise behandelt, versorgt und wieder zurückgenommen werden. Außerdem sollten Athen und Ankara die ursprünglich geplante Praxis wieder aufgreifen, aus der Türkei auf die hellenischen Inseln geflüchtete Menschen wieder einreisen zu lassen. Europa will dann im Gegenzug Migranten mit Asylanspruch aus den Flüchtlingslagern in der Türkei einreisen lassen. Doch bis dahin scheint es noch ein weiter Weg.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort