EU in der Iran-Krise Der erste Härtetest für Ursula von der Leyen

Brüssel/Berlin · Europa soll die „Sprache der Macht“ lernen und auf der Weltbühne endlich ernst genommen werden – so hat es sich Ursula von der Leyen für ihre „geopolitische“ EU-Kommission vorgenommen. Doch beim Konflikt im Nahen Osten scheint die EU wieder nur Zaungast des Weltgeschehens zu sein.

Die bislang konkretesten Schritte: Am Mittwoch gab es wegen der Zuspitzung im Irak und im Iran eine Sondersitzung aller EU-Kommissare, diesen Freitag versammeln sich die EU-Außenminister zum Krisentreffen.

Der erste Härtetest für von der Leyen kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Vergangene Woche töteten die USA den iranischen Top-General Ghassem Soleimani. In der Nacht zum Mittwoch er iranische Racheakt: Teheran griff zwei vom US-Militär genutzte Stützpunkte im Irak an. Auf den Straßen des Iran herrschen Wut und Hass gegen die USA. Und am Mittwoch rief US-Präsident Donald Trump Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die anderen beteiligten Staaten schließlich dazu auf, nicht mehr am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten.

Während all dies geschieht, ist von der Leyens Kommission gerade mal fünf Wochen im Amt. Bis Montag waren die EU-Institutionen noch in der Winterpause. Und so dauerte es fast vier Tage, ehe von der Leyen sich zu den Ereignissen äußerte – und erklärte, dass Iran-nahe Kräfte für die Krise verantwortlich seien. Am Mittwoch forderte sie: „Der Gebrauch von Waffen muss jetzt aufhören, um Raum für Dialog zu schaffen.“ Die EU könne zur Deeskalation beitragen, weil man bewährte Beziehungen zu vielen Akteuren in der Region und darüber hinaus habe.

Während die Situation also zu eskalieren droht, versucht Europa es mit den Mitteln der Diplomatie. Mit Kritik an den USA halten sich alle Beteiligten in Europa zurück – von der Nato über die EU-Kommission bis zu den Regierungen in Paris, London und Berlin. Am deutlichsten wurde noch Außenminister Heiko Maas (SPD), der Teile von Trumps Verhalten als „nicht sehr hilfreich“ bezeichnete. Und EU-Ratschef Charles Michel widersprach Trump recht offen, indem er klarstellte, dass das Atomabkommen nach wie vor eine wichtige Errungenschaft sei.

Deutschland setzt wie die EU traditionell auf Diplomatie. „Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt“ – wie ein Mantra wird dieser Satz im politischen Berlin wiederholt. Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren aber kaum noch eine Situation, bei der die Wahl zwischen militärischer und politischer Lösung auf dem Tisch gelegen hätte. Eine zunehmende Zahl internationaler Akteure bedient sich stattdessen beider Mittel gleichzeitig oder abwechselnd, zunehmend ohne Rücksicht auf Spielregeln der Weltgemeinschaft und oftmals viel weiter ins Risiko gehend, als man es in europäischen Demokratien vertreten kann und will. In Syrien, in Libyen und nun womöglich auch im Konflikt zwischen dem Iran und den USA werden Tatsachen geschaffen.

Und welche Mittel hätte die EU in dem Konflikt? Zumindest könnte die Staatengemeinschaft schneller reagieren, meint ein EU-Diplomat. Auch die erhoffte Wirkung der von Frankreich, Deutschland und Großbritannien gegründeten Handelsgesellschaft Instex, die europäischen Firmen trotz US-Sanktionen Geschäfte mit dem Iran ermöglichen soll, ist bislang nicht eingetreten. Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer macht jedoch klar, dass der Fehler in den einzelnen Hauptstädten liege. Bislang beteiligten sich nur neun EU-Länder an Instex. Und von der Leyen? Bütikofer betont, sie habe war angekündigt, Weltpolitikfähigkeit zu entwickeln. Aber: „Von jetzt auf gleich geht gar nichts.“

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