Krisentreffen in Brüssel Druck auf Iran nach Absturz wächst

Brüssel · Das Flugzeugunglück nahe Teheran könnte eng mit dem Konflikt zwischen dem Iran und den USA zusammenhängen. Washington verschärft die Sanktionen.

Wurde die ukrainische Passagiermaschine versehentlich abgeschossen? Rettungskräfte bergen Wrackteile des verunglückten ukrainischen Flugzeugs in der Nähe von Teheran.

Wurde die ukrainische Passagiermaschine versehentlich abgeschossen? Rettungskräfte bergen Wrackteile des verunglückten ukrainischen Flugzeugs in der Nähe von Teheran.

Foto: dpa/Ebrahim Noroozi

(dpa) Mit neuen Wirtschaftssanktionen erhöhen die USA in der Iran-Krise ihren Druck auf Teheran. Unterdessen verdichteten sich Hinweise, dass ein Raketenbeschuss den Absturz eines ukrainischen Flugzeugs mit 176 Toten verursacht hat. Die Katastrophe vom Mittwoch bei Teheran hängt nach Überzeugung mehrerer EU-Länder eng mit dem auch militärisch ausgetragenen Konflikt zwischen den USA und dem Iran zusammen.

Die neuen US-Sanktionen gegen Teheran betreffen unter anderem den Stahlsektor des Landes und ranghohe Vertreter des Regimes, die in die jüngsten Attacken auf US-Truppen involviert gewesen sein sollen. Schon zuvor hatten die USA etliche Strafmaßnahmen gegen den Iran verhängt. Sie zielen insbesondere auf den Ölsektor und den Bankensektor ab – zwei Lebensadern der iranischen Volkswirtschaft. Die Amerikaner wollen damit erreichen, dass der Iran sein Raketenprogramm aufgibt.

Mehrere EU-Staaten sowie die USA unterstützen am Freitag die Annahme, der Iran habe das abgestürzte Flugzeug versehentlich abgeschossen. Derzeit müsse man davon ausgehen, dass der Absturz „möglicherweise“ vom irrtümlichen Abschuss einer Flugabwehrrakete verursacht wurde, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei einem EU-Krisentreffen in Brüssel. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält dieses Szenario für glaubwürdig. Und Pompeo sagte in Washington: „Wir glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass dieses Flugzeug durch eine iranische Rakete abgeschossen wurde.“ Maas forderte wie mehrere seiner Amtskollegen eine lückenlose Aufklärung: „Es darf nichts unter den Tisch gekehrt werden, denn wenn das der Fall wäre, wäre das der Nährboden für neues Misstrauen.“

Die Spannungen im Nahen Osten hatten zuletzt stark zugenommen. Die USA hatten vergangene Woche den iranischen Top-General Ghassem Soleimani mit einem Luftangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad gezielt getötet. Der Iran reagierte in der Nacht zum Mittwoch mit Vergeltung. Kurz darauf stürzte die ukrainische Boeing nahe Teheran ab. Der Iran hatte sich nach der Tötung Soleimanis zudem weiter aus dem Atomabkommen von 2015 zurückgezogen. Die EU will es – entgegen Forderungen von US-Präsident Donald Trump – nicht aufkündigen. Mehrere Außenminister betonten in Brüssel, man müsse am Atomabkommen festhalten. Dies hindere den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen, sagte Maas.

Iranische und ukrainische Experten hätten ihre Arbeit in einem Labor am Flughafen Mehrabad in Teheran aufgenommen, sagte der Leiter der Luftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh. Ihr Ziel sei die Auswertung der beiden schwer beschädigten Flugschreiber. Der Iran hatte Spekulationen über einen Abschuss gleich nach dem Absturz zurückgewiesen und einen technischen Defekt als Ursache genannt.

Bei dem Absturz kamen auch eine Doktorandin aus Mainz und eine Asylbewerberin aus Nordrhein-Westfalen mit ihren beiden Kindern um. Die 29 Jahre alte Doktorandin war laut Max-Planck-Institut für ihren Weihnachtsurlaub bei ihrer Familie im Iran.

Der Iran will Fachleute unter anderem aus den USA einbeziehen. Die Nationale Behörde für Transportsicherheit in Washington erklärte, dass sie sich an der Untersuchung beteilige. Paris bot technische Hilfe an. „Frankreich ist bereit, zu dem nötigen Gutachten beizutragen“, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Die Ukraine hat bereits eigene Experten in den Iran geschickt. Das Land verlangt Beweise für die Abschussthese. „Unser Ziel ist es, die unstrittige Wahrheit herauszufinden“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Das sei auch die internationale Gemeinschaft den Familien der Opfer schuldig.

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