Polizei nimmt 40 Kinder mit

Deiningen/Wörnitz · Erst dürfen die Kinder der Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ nicht in die staatliche Schule. Dann werden immer neue Prügelvorwürfe laut. Nun griffen die Behörden ein und nahmen die Kinder mit.

Erst die Schulpflicht ignoriert, nun neue Vorwürfe körperlicher Züchtigung - seit Jahren beschäftigt die Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" die bayerischen Behörden. Nun haben Jugendamt, Familiengericht und Polizei eingegriffen und 40 Jungen und Mädchen aus den Familien der Gemeinschaft geholt - darunter auch Säuglinge. Die Kinder wurden in Pflegefamilien und Heimen untergebracht.

Gegen 6.20 Uhr fuhren gestern auf dem Hof der umstrittenen Gemeinschaft im schwäbischen Klosterzimmern bei Deiningen die Polizeiautos vor. Eine ähnliche Aktion gab es im mittelfränkischen Wörnitz, wo ebenfalls eine Gemeinschaft der "Zwölf Stämme" lebt. Mehr als 100 Beamte waren im Einsatz.

Erst im August hatte die Augsburger Staatsanwaltschaft ein langwieriges Ermittlungsverfahren gegen Eltern und Erzieher der "Zwölf Stämme" eingestellt. Es fehlten genügend Hinweise für eine Anklage, hieß es damals. Nun sah das Amtsgericht Nördlingen das Wohl der Kinder dennoch gefährdet. Gerichtsdirektor Helmut Beyschlag berichtete über heftige Vorwürfe von ehemaligen Mitgliedern der Gemeinschaft. Es ist von wochenlanger Isolation, von "Herabdrücken des Kopfes", "Eindämmen des Bewegungsdrangs" sowie "Festhalten der Gliedmaßen" die Rede. "Es lag wohl ein massiver Verstoß gegen die gewaltfreie Erziehung vor", lautet das Fazit des Richters. Das Jugendamt in Donauwörth beschrieb die Polizeiaktion in Klosterzimmern als relativ emotionslos. Die Kinder hätten sich nicht an ihre Eltern geklammert, als sie mitgenommen werden sollten, schilderte Jugendamtsleiter Alfred Kanth die Situation. Üblich sei das nicht.

Von der Gemeinschaft war keine konkrete Stellungnahme zu dem vorläufigen Sorgerechtsentzug zu erhalten. "Wir vertrauen auf unseren Gott. Es liegt in seiner Hand", sagte ein Mitglied der "Zwölf Stämme".

Die Kinder dürfen nun erstmals seit mehr als zehn Jahren in eine Regelschule gehen. Die "Zwölf Stämme" hatten sich stets geweigert, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken - unter anderem wegen des Sexualkundeunterrichts. 2004 waren mehrere Väter deswegen sogar in Erzwingungshaft gekommen.

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