Die unsinkbare Molly Brown

Washington. Die 61-jährige Janet Kalstrom ist als eine der 1309 Passagiere an Bord des modernen Kreuzfahrtschiffs Balmoral, das die Original-Strecke der "Titanic" nachgefahren ist, auf eine Zeitreise gegangen. Am heutigen Samstag, 14

 Margaret Brown war eine der Überlebenden des Titanic-Untergangs. Foto: dpa

Margaret Brown war eine der Überlebenden des Titanic-Untergangs. Foto: dpa

Washington. Die 61-jährige Janet Kalstrom ist als eine der 1309 Passagiere an Bord des modernen Kreuzfahrtschiffs Balmoral, das die Original-Strecke der "Titanic" nachgefahren ist, auf eine Zeitreise gegangen. Am heutigen Samstag, 14. April, soll das Schiff genau die Stelle erreichen, an der die "RMS Titanic" vor genau hundert Jahren in den eisigen Fluten des Atlantik verschwand.Für die rüstige Rentnerin aus Denver ist das mehr als bloß ein Jahrestag. "Ich versuche diese Reise durch die Augen der Margaret Brown zu sehen", erklärt Janet ihren ganz persönlichen Annäherungsversuch an eine der 706 Überlebenden. "Ich spüre eine tiefe Verbindung zu ihr", sagt Janet, die daheim in Denver in einem Museum arbeitet, das Margaret Brown gewidmet ist und dort täglich bei Führungen in deren Rolle schlüpft.

"Für Sie war die Atlantiküberquerung eigentlich nichts Besonderes", weiß Kalstrom von der Erste-Klasse-Passagierin zu erzählen, die seit der Trennung von ihrem Mann, der in einer Goldmine reich geworden war, viel auf Reisen ging. Im Frühjahr 1912 war Margaret in Ägypten, Rom und Paris unterwegs. Auf halber Strecke ereilte sie die Nachricht von einer schweren Erkrankung ihres Enkelkindes. Kurzentschlossen buchte sie eine der Luxus-Kabinen auf der Jungfernfahrt der "Titanic" und stieg im französischen Cherbourg zu.

Für die meisten Passagiere der Titanic sollte sich die Fahrt in einen Albtraum verwandeln. Im Besonderen für die Reisenden der dritten Klasse, die auf den unteren Fluren untergebracht waren. Nur einer von vier Billig-Passagieren überlebte, während drei von fünf der vornehmen Herrschaften mit dem Leben davon kamen.

Brown gehörte zu den Privilegierten. Wenngleich die selber in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsene Margaret keine Vorzugsbehandlung verlangte. Als Kapitän John Smith die berühmte Anweisung gab "Frauen und Kinder zuerst", fühlte sich die Feministin nicht angesprochen. "Das hat sie gestört", weiß Janet aus Recherchen über ihr Leben. "Sie wollte das selber entscheiden."

Als sie nach ihrer Rettung von Reportern am Pier 54 in New York gefragt wurde, warum sie überlebte, erklärte sie lapidar: "Typisches Brown-Glück. Wir sind einfach unsinkbar". Diese Bemerkung brachte sie später als "Unsinkbare Molly Brown" zu Weltruhm. Erst in einem Musical (1960) von Richard Morris mit demselben Namen. Dann in einem Film (1964), der ihr Image als hemdsärmelige, aber wenig gebildete Heldin prägte. Wenig von dem hat mit der wirklichen Margaret Brown zu tun. "Sie war eine sehr gebildete Frau, die Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Russisch beherrschte", meint Janet, die auf der Kreuzfahrt ein realistisches Bild der Heroinen vermitteln will. Brown kämpfte bereits vor dem Unglück für das Frauenwahlrecht. "Sie war ihrer Zeit weit voraus". Das stellte Margaret Brown auch auf der Schicksalsfahrt der Titanic unter Beweis. An Bord der "Carpathia", die den Schiffsbrüchigen in den frühen Morgenstunden zur Hilfe geeilt war, organisierte sie einen Hilfsfonds für die Passagiere der "dritten Klasse".

Janet sieht in Molly ein Vorbild, das auf dem Höhepunkt eines von starken Gegensätzen geprägten Zeitalters half, gesellschaftliche Schranken zu überwinden.

Janet Kalstrom ist am Ende ihrer Zeitreise auf dem Kreuzfahrtschiff "Balmoral" ihrer Heldin nähergekommen. "Ich wünschte, ich könnte sie einmal treffen", meint die 61-Jährige. Dieser Wunsch wird nicht mehr in Erfüllung gehen. Die "unsinkbare Molly Brown" verstarb 1932 an einem Gehirntumor. "Wir sind einfach unsinkbar."

Molly Brown

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