Die Sicht der Geliebten

Paris

Paris. Wer ist dieser Dominique Strauss-Kahn, und was versteckt sich hinter der Fassade des jovial auftretenden Ökonomen? Wie konnte der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) so tief fallen - vom beliebtesten Politiker Frankreichs zum verachteten Lustmolch, verstrickt in Sex-Affären? Diese Frage stellten sich entsetzte Franzosen seit der Anklage gegen Strauss-Kahn wegen der Vergewaltigung eines New Yorker Zimmermädchens 2011 sowie Journalisten und Autoren. In einem Film über ihn übernimmt Gérard Depardieu die Hauptrolle. Noch immer ist die Öffentlichkeit fasziniert und abgestoßen zugleich.Doch keiner ging so weit wie die Juristin und Publizistin Marcela Iacub in ihrem Buch "Schöne und Biest": In einer Art Selbstversuch näherte sie sich Strauss-Kahn im Januar 2012 und begann eine monatelange Liebesaffäre mit dem Objekt ihrer Recherche, das sie als "halb Mann, halb Schwein" bezeichnet und dem sie dennoch erlag. "Du warst alt, du warst klein und du warst hässlich. (...) Du warst egoistisch, du warst brutal und unkultiviert. Und ich war verrückt nach dir", schreibt die 48-Jährige. Sie nennt ihn ein Schwein, das nur in der Gegenwart lebe, nach Befriedigung seiner Bedürfnisse strebend, unsensibel für die anderen.

Es ist eine harte Abrechnung mit dem Mann, den Iacub in Zeitungskolumnen vor der Medienhetze verteidigt hatte - während sie bereits seine Geliebte war. Der Text, eine Collage aus Gedanken, Gefühlen und Szenen, sei authentisch, lediglich die Sex-Szenen erfunden. Doch Iacubs Glaubwürdigkeit steht infrage. Bisher war die gebürtige Argentinierin zwar umstritten durch ihr Eintreten für absolute sexuelle Freizügigkeit, aber renommiert für ihre Essays zu Gesellschaftsthemen unter juristischem Blickwinkel.

Doch Strauss-Kahns Anwalt veröffentlichte eine Mail, in dem sie ihn um Verzeihung bittet: Sie habe sich leichtsinnig in ein Projekt hineinziehen lassen, das sie bereue. Der 63-Jährige selbst nennt ihr Vorgehen "verachtenswert" und zog vor Gericht: "Ist alles erlaubt, um Geld zu machen? Man zielt auf einen Mann, der bereits am Boden liegt." Zwar wurde die Vergewaltigungs-Anklage in den USA und auch der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung der Autorin Tristane Banon fallengelassen. Doch es wird noch gegen Strauss-Kahn ermittelt wegen des Verdachts der organisierten Zuhälterei durch seine Teilnahme an Sex-Partys.

Mit seiner Klage gegen Iacub, den Verlag Stock und das Magazin "Le Nouvel Observateur", das Auszüge aus dem Buch gedruckt hatte, bekam er großteils Recht: Verlag und Autorin müssen ihm 50 000 Euro zahlen, das Magazin 25 000. Außerdem muss jedem Exemplar ein Hinweis darüber beiliegen, dass das Buch gegen Strauss-Kahns Persönlichkeitsrechte verstößt. Ein Verkaufsverbot setzte er aber nicht durch. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Buch ein Verkaufsschlager wird.Foto: Tribouillard/afp

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