Wer die Wahl entscheidet

Vieles ist möglich, nur wenig ausgeschlossen. In den letzten Umfragen vor der Bundestagswahl liegen Regierung und Opposition gleichauf.

Die Wahrscheinlichkeit für eine schwarz-gelbe Mehrheit ist danach ebenso groß wie eine für Rot-Rot-Grün. Letztere ist allerdings nur eine rechnerische Option. Denn ein Bündnis unter Beteiligung der Linken hat die SPD mehrfach ausgeschlossen. Auch ohne Oskar Lafontaine bleibt die Linke in der Bundespolitik mit vielen Positionen regierungsunfähig und in weiten Teilen auch regierungsunwillig.

Sollten Union und FDP gemeinsam eine Mehrheit erzielen, wäre schnell alles klar. Eine Fortsetzung des schwarz-gelben Bündnisses ist das erklärte Ziel beider Parteien. Im Falle ihres Scheiterns ist die Gemengelage deutlich unübersichtlicher. Theoretisch dürfte es dann für Schwarz-Grün reichen, was aber in beiden Parteien nur schwer vermittelbar wäre. Wahrscheinlicher erscheint eine bei den Parteien ungeliebte, aber von vielen Wählern favorisierte große Koalition aus Union und SPD, obwohl die Sozialdemokraten als Juniorpartner von Angela Merkel schon schlechte Erfahrungen gemacht haben und innerparteiliche Auseinandersetzungen unvermeidbar wären. Wer die letzten Wahlkampfauftritte der sozialdemokratischen Spitzenpolitiker genau analysiert, stellt fest, dass hier nicht alle Wege verbaut wurden. Hintergrund sind natürlich auch die schlechten Werte für Rot-Grün, die eine Realisierung des Wunschbündnisses selbst für den Fall eines Scheiterns der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

In jedem Fall wird es am Wahlabend spannend. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen, da es immer noch viele Unentschlossene gibt, die sich erst am Sonntag entscheiden werden, ob sie zur Wahl gehen und wem sie ihre Stimme geben. Diese Gruppe könnte wahlentscheidend sein. Sie ist in den vergangenen Jahrzehnten ebenso gewachsen wie die Zahl der Nichtwähler. Dass es an klar unterscheidbaren Angeboten oder neuen Parteien fehlen würde, kann diese Entwicklung nicht begründen. Denn das Gegenteil ist der Fall.

Natürlich sind nach jeder Wahl viele Bürger enttäuscht, weil Parteien oder Koalitionen nie alle persönlichen Meinungen eines Einzelnen widerspiegeln oder gar umsetzen können. In einer Demokratie müssen aber Mehrheiten und Kompromisse geachtet werden. Dies gilt auch für diejenigen, die sich nicht an einer Wahl beteiligen. Es gibt oft gute Gründe für Kritik an einzelnen Politikern, Parteien und deren Entscheidungen. Es gibt aber keine Rechtfertigung für eine grundsätzlich politikverachtende Haltung. Sie gefährdet die Akzeptanz der Demokratie und damit auch die Freiheit derjenigen, die sich von ihr abgewendet haben.

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