Warum uns der RAF-Terror noch immer umtreibt

Heute jährt sich zum 40. Mal der Auftakt der Terror-Serie von 1977, die im Herbst jenes Jahres in der Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut und der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer gipfelte. Wieder einmal wird sich die Nation über Monate mit den Verbrechen einiger weniger RAF-Terroristen beschäftigten, die zum Teil tot oder im Rentenalter sind.

Warum lässt uns das Thema nicht los? Es hat wohl damit zu tun, dass die Generation, die in den 60er und 70er Jahren groß wurde und nun an Schlüsselstellen dieses Staates sitzt, sich immer wieder versichern muss und kann: Wir haben damals, als die RAF den Staat herausforderte, richtig geurteilt und waren bei den Guten. Trotz aller Anfechtungen. Denn die gab es für viele. Dabei ging es nicht nur um die Faszination, die von den Protagonisten wie Andreas Baader bis heute ausgeht - und vor einigen Jahren zu obszönen Mode-Verirrungen wie den "Prada-Meinhof"-T-Shirts führte. "Er war sehr charismatisch, Atheist, Anarchist, besessen, missionarisch unterwegs und rhetorisch sehr stark", so hat der saarländische Industrielle Wendelin von Boch seinen Zimmergenossen Andreas Baader in den gemeinsamen Internatstagen erlebt, wie er kürzlich in einem SZ-Interview erzählte. Er habe Baaders "Brillanz bewundert", sagte von Boch.

Aber abgesehen vom Charisma Baaders, Gudrun Ensslins und Ulrike Meinhofs: Ein Großteil der Kritik der Studentenbewegung, als deren radikalster Teil diese zur Waffe griffen, ist längst gesellschaftliches Gemeingut. Der Vietnam-Krieg - ein Verbrechen. Der Umgang Nachkriegsdeutschlands mit der NS-Vergangenheit, seine Nachsicht gegenüber Ex-Nazigrößen in der neuen Elite - eine zweite Schuld. Alles heute Konsens. Schleyer war schon 1933 der SS beigetreten. Siegfried Buback wurde im Krieg NSDAP-Mitglied. Als Leiter der Ermittlungen in der ,,Spiegel-Affäre" spielte er in einer Schmierenkomödie mit, die die autoritären Züge im Adenauer-Deutschland offenlegte. Ja, es gab Grund, sich über den Staat und seine Exponenten zu empören.

Doch die Geschichte zeigt, dass Millionen junge Deutsche, die diese Empörung nicht mit Gewalt ausdrückten, sondern den "Marsch durch die Institutionen" antraten, richtig entschieden haben. Die ersten Gewaltakte von Baader & Co. gegen Sachen setzten eine Spirale in Gang, bei der am Ende das Ziel jedes Mittel heiligte, bis kein Ziel mehr erkennbar war. Am Ende blieb nur Gewalt, Kriminalität. Wie bei jenen Angehörigen der letzten RAF-Generation, die noch heute im Untergrund vom Bankraub leben. Eine ideologisch völlig entkernte RAF-Bande.

Man muss diese Geschichte jeder neuen Generation erzählen, damit sie in ihrem zum Teil berechtigten jugendlichen Furor keine falschen Lebensentscheidungen trifft. Deswegen ist es richtig, sich mindestens alle zehn Jahre intensiv mit dem Terror-Jahr '77 zu beschäftigen.

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