Adels-Hochzeit und Völklinger Hüttengaudi

Als die Queen 1947 heiratete, saßen zwei Millionen Menschen vor dem Radio. Zwei Milliarden Fernsehzuschauer waren dann 2011 live dabei, als ihr Enkel, Prinz William, seine Kate zum Altar führte. Auch die heutige royale Hochzeit wird die Welt wieder in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzen. Warum? Weil kollektive Trauer und Freude in einer Gesellschaft, in der jeder einsam seinen eigenen Gefühlsgarten beackert, rare, kostbare Erlebnisse darstellen. Man hungert förmlich danach, nach Teilhabe an einem großen Ganzen. Also gib dem Affen Zucker?

Warum alle die Queen und die Royals lieben
Foto: SZ/Robby Lorenz

Angeblich ist es Zufall,  dass der Eröffnungstag der Ausstellung über die „Legende Elizabeth II.“ in der Völklinger Hütte mit der großen Heirats-Oper auf den selben Tag fällt. Doch wer Harry oder die Queen googelt, landet womöglich auch bei der Völklinger Schau. Die königliche Hochzeit lässt sich also durchaus als PR-Dienstleister für das Weltkulturerbe begreifen. Wobei das bei diesem Thema, das einen Boulevardmagazin-Mix aus Glanz, Gloria und Soap Opera verspricht,  kaum nötig scheint. Publikums-Hüttengaudi mit Queen? Industriekultur-Puristen werden das kritisieren.

Doch die Queen lohnt tatsächlich eine Ausstellung. Sie ist weltweit eine nahezu unumstrittene Autorität, von wem sonst könnte man das behaupten? Aber es wäre gänzlich falsch, den Respekt, den sie genießt, mit der hysterischen Begeisterung zu verwechseln, die andere Familienmitglieder, einst Diana oder heute Kate, auslösen. Bei der Queen ist weder Idealisierung noch Pseudo-Zuneigung im Spiel. Ihre Strahlkraft wurzelt tiefer, in einer selten gewordenen Berechenbarkeit ihrer Erscheinung und ihres Verhaltens.  Wie ein Gegenmodell nimmt sich diese Frau aus zu all den schnell verglühenden Sternchen und selbst ernannten Selfie-Berühmtheiten unserer Tage. Es fällt schwer, sich mit ihr zu identifizieren oder gemein zu machen.  

Sozialpsychologen erklären die Faszination, die alle Königlichen auslösen, damit, dass uns die Märchenwelt der Prinzen und Schlösser von Kindheit an vertraut ist und ein Sehnsuchtsort zugleich. Auch tragen wir die Vorstellung eines idealen Lebens mit uns herum, das den Blaublütigen quasi durch Geburt zuzufallen scheint: Reichtum, privilegierte Partnerwahl, hohes Sozialprestige, Familienzusammenhalt. Die Royals verkörpern diese Träume. Und sie vermarkten sie und sich mittlerweile intelligent, liefern eine Top-Performance ab, sind zu Aushängeschildern Großbritanniens geworden. „Die Firma“, wie die Queen ihre Familie nennt, floriert. Auch innenpolitisch: Die königliche Familie gilt in unruhigen Zeiten des Brexit als Säule der Stabilität, als Symbol für nationalen Zusammenhalt und gemeinsame kulturelle Wurzeln. Mit ihrer Bescheidenheit, ihrem Pflichtbewusstsein und ihrer Charakterfestigkeit steht die Queen zusätzlich für Tugenden und Werte, die sich nicht wenige Menschen weltweit als unumstößlich wünschen. Vor diesem Hintergrund erscheint das, was sich heute abspielt, nicht mehr nur als  Royal-Mania.

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