Klimaziele Ein Atomgigant, der das Klima retten will

Bonn/Paris Der Auftritt gehörte zu den erfolgreichsten in seiner sechsmonatigen Präsidentschaft. Am 2. Juni trat der französische Präsident Emmanuel Macron gegen 23.45 Uhr vor die Fernsehkameras, um die Ankündigung von Donald Trump zu kommentieren, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. „Frankreich setzt sich an die Spitze im Kampf gegen den Klimawandel“, kündigte der 39-Jährige ehrgeizig an, um auf Englisch mit dem legendär gewordenen Satz zu enden: „Make our planet great again.“

Ein knappes halbes Jahr später will Macron heute mit einer Rede bei der Bonner Klimakonferenz das Pariser Protokoll verteidigen. Denn noch sieht es nicht so aus, als könnte das 2015 in Le Bourget bei Paris ausgehandelte Ziel erreicht werden, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Als Gastgeber der Pariser Konferenz sieht sich Frankreich in der Pflicht, das Abkommen zu retten.

Eine Rolle, die auch Umweltverbände einfordern. Sie appellierten gestern an Macron und Angela Merkel, in Europa eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz zu übernehmen. „Ihr gemeinsamer Wille, die deutsch-französische Zusammenarbeit zu stärken, um das Pariser Abkommen umzusetzen, ist mehr denn je lebenswichtig“, heißt es in einem Brief, den Greenpeace, Germanwatch, WWF, Oxfam, Nabu und andere unterzeichneten.

Die Verfasser warnten darin allerdings auch vor „falschen Lösungen“ wie der Atomkraft. Der Hinweis richtete sich gegen Frankreich, das Land mit dem höchsten Atomstromanteil weltweit. Erst vergangene Woche rückte Umweltminister Nicolas Hulot von dem Ziel ab, den Anteil des Atomstroms von 75 auf 50 Prozent bis 2025 zurückzufahren. Dabei hatte Macron sich im Wahlkampf noch zum Energiewende-Gesetz bekannt, das genau diese Zahlen festschreibt.

Zur Begründung für seine Kehrtwende führte Hulot an, dass ohne Atomkraft die Klimaziele nicht zu erreichen seien. „Frankreich bremst den Ehrgeiz der Europäischen Union bei der Entwicklung erneuerbarer Energien, um eine gefährliche Atomindustrie zu schützen“, kritisiert das Netzwerk Reseau Action Climat, das den Brief an Merkel und Macron mit unterzeichnete. „Für ein Land, das sich als Anführer beim Klimaschutz positionieren will, ist das Ironie.“ Deutlich milder urteilt Jens Althoff von der Heinrich-Böll-Stifung. „Es gibt durchaus Anzeichen, dass Macron es mit dem Klimaschutz ernst meint.“ So habe Frankreich sich einen Klimaschutzplan gegeben, der bis 2040 mit Verbrennungsmotoren Schluss machen will.

Im Investitionsplan für die nächsten fünf Jahre bekommt die Energiewende mit 20 Milliarden Euro den dicksten Anteil. Neun Milliarden sollen in die Wärmedämmung von Gebäuden gehen, wo Frankreich viel Nachholbedarf hat, und sieben Milliarden in die erneuerbaren Energien. Hier liegt das Nachbarland bei einem Anteil von knapp 20 Prozent, während es in Deutschland fast 32 Prozent sind.

Macron setzt in der Klimapolitik auf Merkel als Partnerin. Frankreich hat nur noch bis 2020 Zeit, die Umsetzung des Pariser Abkommens zu sichern. Schon im Dezember lädt der Präsident deshalb rund hundert Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Klimagipfel nach Paris. Dort soll es um die Umsetzung des Abkommens durch Regionen, Unternehmen oder Investoren gehen. Dabei sind allerdings auch Ergebnisse gefragt. Denn wenn der „One Planet Summit“ zur reinen Schaufenster-Veranstaltung wird, ist auch Macrons Ruf als Klimaretter in Gefahr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort