Rot-Grün auf Normalnull

Meinung · Von den Bergen östlich Jerusalems kann man weit hinabblicken auf das Tote Meer und sich ganz erhaben fühlen. Freilich steht man in Wirklichkeit nur auf Höhe Normalnull, und die Erhabenheit der eigenen Position rührt daher, dass das Tote Meer 400 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Ähnlich ist es mit dem Hochgefühl, das SPD und Grüne derzeit angesichts der jüngsten bundesweiten Umfragen haben

Von den Bergen östlich Jerusalems kann man weit hinabblicken auf das Tote Meer und sich ganz erhaben fühlen. Freilich steht man in Wirklichkeit nur auf Höhe Normalnull, und die Erhabenheit der eigenen Position rührt daher, dass das Tote Meer 400 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Ähnlich ist es mit dem Hochgefühl, das SPD und Grüne derzeit angesichts der jüngsten bundesweiten Umfragen haben. Abgesehen davon, dass eine Volkspartei wie die SPD bei 27 Prozent Zustimmung nicht unbedingt schon in Jubel verfallen sollte, ist doch allzu offensichtlich, dass sich das rot-grüne Lager zu Schwarz-Gelb wie kommunizierende Röhren verhält. Das jämmerliche Erscheinungsbild der aktuellen Regierungskoalition in Berlin treibt die Auswärtswähler des letzten Herbstes, die den Erfolg Angela Merkels und Guido Westerwelles ermöglicht haben, in Scharen wieder zurück. Viele wahrscheinlich auch zu den Nichtwählern, doch werden diese in den Ergebnissen der Sonntagsfrage genau wie bei richtigen Wahlen schnöde unterschlagen. Für die Regierung sind die Zahlen zwar ein Alarmsignal, denn wenn sie sich verfestigen, wird es wirklich ernst. Die SPD aber sollte sich hüten, den Daten übermäßige Bedeutung beizumessen: Im Herbst noch hatte sie begriffen, dass sie das Vertrauen ihrer Stammwähler ganz grundsätzlich verloren hatte und dass der Prozess zur Bildung einer neuen Vertrauensbasis lange dauern werde. Es gibt sogar Spitzensozis, die meinen, es sei gar nicht gut, wenn Schwarz-Gelb vorzeitig scheitere, man brauche mehr Zeit für den eigenen Wiederaufbau. Richtig, denn bei Kernthemen wie Steuern und Rente hat die SPD ihre neuen Positionen noch nicht einmal formuliert, geschweige denn, dass die Wähler sie alle schon kennen und gar attraktiv finden. Und ein Bündnis mit den Linken, falls es für Rot-Grün doch nicht reichen sollte, ist auch noch nicht vorbereitet.Wenn am nächsten Sonntag tatsächlich Wahlen wären, oder auch nur nächstes Jahr, würden sich die Dinge schnell zurechtschaukeln. Die Regierung würde sich am Riemen reißen und Wähler zurückgewinnen. Die Linke würde mit populistischen Sozialforderungen die SPD toppen. Und die Sozialdemokraten wiederum wären schwer mit sich selbst beschäftigt, mit der Frage, wer ihr Spitzenkandidat werden soll, mit welchen Inhalten und welchen Partnern. Nur die Grünen gewännen womöglich wirklich kräftig hinzu, wenn auch nicht die 20 Prozent, die jetzt prognostiziert werden. Denn viele konservative Bürger würden sie für einen guten neuen Koalitionspartner halten - der Union.

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