Italien denkt an die Zeit nach Berlusconi

Rom. In Italien brodelt es. Seitdem Ministerpräsident Silvio Berlusconi Ende Juli seinen langjährigen Rivalen und Verbündeten Gianfranco Fini brüsk aus der gemeinsam gegründeten Regierungspartei "Volk der Freiheit" (PdL) gedrängt hat, ist kein Tag ohne Diskussion über Neuwahlen vergangen

Rom. In Italien brodelt es. Seitdem Ministerpräsident Silvio Berlusconi Ende Juli seinen langjährigen Rivalen und Verbündeten Gianfranco Fini brüsk aus der gemeinsam gegründeten Regierungspartei "Volk der Freiheit" (PdL) gedrängt hat, ist kein Tag ohne Diskussion über Neuwahlen vergangen. Über eine Zeit nach Silvio Berlusconi (73), dem ohne die Zustimmung von Fini-treuen Abgeordneten die parlamentarische Mehrheit fehlt, wird in Italien mittlerweile offen nachgedacht. Fini hatte mit der Forderung nach Legalität und moralischer Integrität in der Politik den Premier brüskiert, der notorische Probleme mit der Justiz hat. Der Regierungschef ist unter Druck. Morgen will Berlusconi mit seiner Parteispitze über die Zukunft beraten. Dabei hatte der Mailänder Medienzar und Milliardär noch im März die Regionalwahlen in Italien überraschend deutlich gewonnen und schien unanfechtbar. Bei einer schwachen Opposition schien der Weg frei für eine Politik, die Italien bis zur nächsten regulären Parlamentswahl 2013 geführt hätte. Auch Staatspräsident Giorgio Napolitano betont aber: Angesichts der Wirtschaftskrise und der Probleme des Landes seien Neuwahlen das Letzte, was Italien jetzt brauchen könne.Alternative wäre eine Übergangsregierung, aber dagegen machen Berlusconis Parteigänger Front. "Sollte die Regierung Berlusconi stürzen, wäre eine Übergangsregierung ohne Urnengang ein politisches Manöver, das dem Willen des Volkes widerspricht", sprachen sich die PdL-Fraktionschefs bereits eindeutig gegen eine sogenannte "technische" Lösung aus. Das Schreiben war Antwort an den Staatspräsidenten und Seitenhieb gegen die Opposition, die eine breitgefächerte Übergangsregierung favorisiert. Denn die größte Oppositionspartei PD ("Demokratische Partei") von Pierluigi Bersani kann angesichts ihrer eigenen Schwäche eine schnelle Rückkehr an die Urnen nur fürchten.Dagegen wären Neuwahlen ganz im Sinne der "Lega Nord", Berlusconis rechtspopulistischem Koalitionspartner aus dem italienischen Norden. "Wir müssen so schnell wie möglich zurück zu den Urnen, um aus dem aktuellen Sumpf herauszukommen", tönte Umberto Bossi, Chef der Lega. Tatsächlich dürfte die Lega nach letzten Umfragen von einer Neuwahl profitieren, hatte sie doch bereits bei den Regionalwahlen im März Spitzenergebnisse erzielen können. Eine noch stärkere Lega würde jedoch Berlusconis Position schwächen.Und auch dem "Abtrünnigen", wie Kritiker Fini getauft haben, käme ein früher Wahltermin nicht wirklich zugute. Der Postfaschist und ehemalige Chef der "Nationalen Allianz" (AN) hätte mit seiner frisch gegründeten Minipartei "Zukunft und Freiheit" (FLI) ohne Verbündete kaum Chancen, seinen politischen Einfluss zu wahren. Zudem würde er sein prestigeträchtiges Amt als Präsident des Abgeordnetenhauses verlieren.Berlusconi ist damit in der Zwickmühle. Er riskiert, bei Neuwahlen weiteren Einfluss an die Lega zu verlieren oder mit Fini als Zünglein an der Waage bei jeder Abstimmung einer Niederlage ins Auge zu sehen. Er werde Fini und seine Getreuen per Vertrauensabstimmung auf die kontroversesten Programmpunkte "schwören" lassen, vermuten Beobachter. Nach dem politischen Sommertheater könnte Italien vor einem heißen Herbst stehen.

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