Mehr Demokratie wagen

Die Volksgesetzgebung ist im Saarland bisher im Vergleich zu anderen Bundesländern unbestritten am schwächsten entwickelt. Das räumte sogar die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung unlängst bei einer Expertenanhörung im Landtag ein.

Hohe Hürden und enge Grenzen für mögliche Themen machten die direktdemokratischen Verfahren auf Landesebene völlig unpraktikabel.

Dass sich das ändern soll, war nicht erst seit den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD im vergangenen Jahr klar. Schon die Jamaika-Koalition als Vorgänger-Regierung hatte Volksentscheide erleichtern wollen. Die Christdemokraten, die dieser Form der Bürgerbeteiligung traditionell am skeptischsten gegenüberstehen, mussten um des Machterhalts willen Zugeständnisse machen.

Tatsächlich ist die Zeit für die jetzige Reform überreif. Denn die Fixierung auf die parlamentarisch-repräsentativen Formen der Demokratie und auf die Parteien als alleinige Träger der politischen Willensbildung ist schon infolge der sinkenden Mitgliederzahlen und der rückläufigen Beteiligung an Parlamentswahlen hinfällig geworden. Daher sind in einer modernen Demokratie weitere Instrumente der demokratischen Teilhabe unverzichtbar. Die nun vom Landtag beschlossene Lockerung des Finanzvorbehalts und die Absenkung der nötigen Unterstützerzahl für Volksbegehren und Volksentscheide sind insofern sicher Schritte in die richtige Richtung.

Allerdings sind diese Schritte immer noch viel zu zaghaft ausgefallen. So erlaubt das neue Gesetz erstmals, dass Volksentscheide finanzielle Auswirkungen haben dürfen. Jedoch soll die Höhe dieser Folgekosten auf 0,3 Prozent des Landesetats begrenzt werden. Damit wird dem Volk das Haushaltsrecht vorenthalten, das einst das Parlament stellvertretend für das Volk den Monarchen abgetrotzt hat.

Ein weiteres obrigkeitsstaatliches Relikt besteht darin, dass Initiatoren von Volksbegehren - anders als Parlamentarier, die einen Gesetzentwurf im Landtag einbringen - einen Kostendeckungsvorschlag vorlegen müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Vorschlag keine Abgabenerhöhungen oder Subventionskürzungen enthalten darf.

Der Adenauer-Stiftung, die diese Hürden für Volksentscheide verteidigt, ist darin zuzustimmen, dass die Parteien selbst "wieder verstärkt zu Orten der unmittelbaren Willensbildung und -äußerung werden müssen". Dieses Ziel ist aber nicht dadurch zu erreichen, dass man Volksentscheide erschwert. Vielmehr müssen auch die Parteien selbst mehr Demokratie wagen - durch Mitgliederentscheide, Formen der "Liquid Democracy" oder auch durch Vorwahlen nach US-amerikanischem Vorbild, an denen auch Nichtmitglieder teilnehmen können.

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