Auf Sparflamme nach Europa

Wahltaktisch ist es richtig, was die Union derzeit macht: Die Partei wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie beim anstehenden Europawahlkampf nicht auf ihr Zugpferd Angela Merkel setzen würde. Die Kanzlerin ist auch der große Vorteil der CDU gegenüber der SPD: Bei den Genossen sucht man vergeblich nach jemandem, der für die so wichtige Symbiose deutscher Innen- mit der Europapolitik stehen könnte.

Gabriel, Nahles? Wohl kaum. Steinmeier? Eher auch nicht.

Schließlich darf man sich nichts vormachen: Gewählt wird am 25. Mai zwar das europäische Parlament. Aber viele Bürger werden auch - wenn nicht sogar nur - nach bundespolitischen Gesichtspunkten ihre Entscheidung treffen. So sehr sich die SPD-Minister im Bundeskabinett derzeit abstrampeln, am Ende wird dieser Umstand wohl wieder nur Angela Merkel und damit der CDU nutzen. Zumindest lassen die Umfragen diesen Rückschluss zu.

Das ist aber nur die eine Sicht auf die Dinge. Die andere ist: Europapolitisch fährt die Union auf Sparflamme; sie hat es sich bequem gemacht. Der lustlose Parteitag in Berlin hat am Wochenende gezeigt, dass sich die Christdemokraten am liebsten auf ihren Verdiensten um die europäische Einigung ausruhen. Und wenn gar nichts mehr geht, holt irgendjemand in seiner Rede noch schnell Helmut Kohl hervor, verweist auf die Deutsche Einheit sowie ihre europäische Dimension. Allerdings ist der Mauerfall, so schön und so historisch er war, jetzt immerhin 25 Jahre her. Europa hat eindeutig neue Herausforderungen, neue Aufgaben zu bewältigen. Die Schuldenkrise ist nicht vorbei. Demokratie, Menschrechte, das friedliche Zusammenleben auf diesem Kontinent, ein Europa des Miteinanders ohne Grenzen, das alles ist eben doch keine Selbstverständlichkeit. Die Ukraine-Krise ist ein Beleg dafür. Es wäre also genau jetzt die Zeit für große, europäische Debatten. Aber die Union lässt mit dem Merkel-Bonus im Rücken Europa lieber dahinplätschern. Da werden dann selbst bei jungen Delegierten noch einmal die Augen feucht, wenn sie auf dem Parteitag berichten dürfen, wie viele Trabis sie 1989, im Jahr des Mauerfalls, auf der Autobahn gezählt haben.

Das ist nicht visionär, das ist nicht aufreizend, schon gar nicht inhaltlich packend. Europa braucht mehr als Pathos und Erinnerung. Vor allem von der CDU, die sich seit langem als Europapartei in Deutschland schlechthin sieht. Wer bei den Bürgern Leidenschaft entfachen will, muss selber leidenschaftlich sein. Vermutlich ist das als Konzept den Strategen im Konrad-Adenauer-Haus zu anstrengend. Der Bürger darf dennoch mehr erwarten. Viel mehr, als der Parteitag der CDU zu Europawahl zu bieten hatte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort