Strenger Hausvater Orban kann sich bestätigt fühlen

Budapest · Ungarns Fußball ist international unbedeutend, doch der rechts-nationale Regierungschef Viktor Orban liebt bildliche Vergleiche aus der Welt des runden Leders. „Jedes Match beginnt beim Stand von 0:0“, schärfte er am Samstag bei seinem letzten Wahlkampfauftritt in der ostungarischen Stadt Debrecen Tausenden Anhängern ein.

"Am Ende zählt aber nur, was auf der Anzeigentafel steht." Gestern Abend stand dort nach Auszählung von über 40 Prozent der Stimmen ein klarer Sieg von Orbans Fidesz-Partei. Er kann weiter durchregieren - und sich in seiner bisherigen Gangart bestätigt fühlen: Der 50-jährige Ministerpräsident streitet, kämpft und poltert in jeder politischen Lebenslage. Nicht nur seinem eigenen Land will er seine Vision aufzwingen: eine Nation fleißiger Untertanen, die er als strenger, aber auch gütiger Hausvater lenkt und vor Unbill schützt. Auch mit der EU sucht er beständig den Konflikt.

Der starke Wille des 1963 geborenen Orban machte sich schon früh bemerkbar. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in einem Dorf bei Szekesfehervar - 70 Kilometer südwestlich von Budapest - auf. Im ländlichen Umfeld seiner Kindheit galt er als schwer erziehbar. Als Jurastudent in der Hauptstadt Budapest rebellierte er mit Gleichgesinnten gegen den geistlosen Obrigkeitsstaat im späten Kommunismus. Der Bund Junger Demokraten (Fidesz), den er mitbegründete, war die erste unabhängige Jugendorganisation dieser Zeit.

Nach außen galt sie als basisdemokratisch und links-liberal. Doch bald zog eine machtbewusste Gruppe um Orban die Fäden. und riss 1993 die ganze Macht an sich. Der liberale Flügel um Gabor Fodor verließ die Partei.

1998 übernahm Orban mit 35 Jahren erstmals die Regierungsgeschäfte. Mit seinem Fidesz hatte er sich da klar im rechten Lager positioniert. Als er 2002 die Regierungsmacht verlor, ließ er seine Anhänger aufmarschieren und reklamierte auf "Wahlbetrug". Die Wahl im Frühjahr 2010 brachte ihm die Rückkehr an die Macht, noch dazu mit der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit für seine Fidesz-Fraktion. Orban sprach umgehend von einer "Revolution der Wahlkabinen" und von der Ankunft eines neuen Systems, des "Systems der nationalen Zusammenarbeit".

In der Praxis bedeutete dies die Aushöhlung demokratischer Institutionen. Kritikern zufolge ordnet Orban seine ganze Politik seinen Machtbedürfnissen unter. Eine neue Verfassung verpasst dem Land mit ihrer Präambel einen klerikal-nationalistischen Anstrich. Künftigen Regierungen bindet das Grundgesetz in der Steuer- und Rentenpolitik die Hände. Ein neues Mediengesetz bietet Handhabe zur Einschränkung der Medienfreiheit. Auch die Unabhängigkeit der Justiz und der Notenbank sah die EU-Kommission zeitweise in Gefahr.

Kurz vor der Wahl 2010 hatte Orban verblüffend offen eingestanden, worum es ihm geht. Für die nächsten 15 bis 20 Jahre, hatte er vor Partei-Intellektuellen erklärt, müsse "ein einziges politisches Kraftfeld die Geschicke der Nation bestimmen". Dass im Nabel dieses Kraftfeldes er selbst stehen würde, war da allen schon klar. Und vorerst wird das so bleiben - wie die Wahl gestern gezeigt hat.

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