Am Gängelband der Lokführer

Meinung · Millionen genervter Fahrgäste, Millionenschäden für die Wirtschaft - die kleine Lokführer-Gewerkschaft GDL hat sich gestern ganz groß gemacht und mit ihrem Streik gezeigt, dass sie die Republik lahmlegen kann

Millionen genervter Fahrgäste, Millionenschäden für die Wirtschaft - die kleine Lokführer-Gewerkschaft GDL hat sich gestern ganz groß gemacht und mit ihrem Streik gezeigt, dass sie die Republik lahmlegen kann. Mit solch einem kompromisslos harten Kurs hatte sie vor drei Jahren der Deutschen Bahn einen eigenen Lokführer-Tarifvertrag abgetrotzt - inklusive elf Prozent mehr Geld und einer Verkürzung der Arbeitszeit um eine auf 40 Stunden. Offenkundig will die GDL den Coup wiederholen. Doch diesmal überzieht die Gewerkschaft gewaltig, und am Ende könnte der Schuss auch nach hinten losgehen.Zwar ist gegen das Anliegen eines Branchentarifvertrags nichts zu sagen. Auch ein Kampf gegen Dumpinglöhne bei den Konkurrenten der Deutschen Bahn ist nachvollziehbar. Streiks sind dafür ein legitimes Mittel. Nur warum bestreikt die GDL hartnäckig die Deutsche Bahn, obwohl doch die Hauptgegner in dem Tarifstreit die Privatbahnen sind, die ihren Lokführern deutlich weniger zahlen als der Staatskonzern? Das ist nicht zu verstehen, wie der Bahnvorstand mit Recht wiederholt anmerkt. Und warum verweigert sich die GDL dem Branchentarifvertrag, den die große Konkurrenzgewerkschaft EVG bereits mit den Bahnunternehmen ausgehandelt hat? Das Thema Lohndumping ist damit vom Tisch. Zwar zahlt die Deutsche Bahn demnach noch etwas mehr als die Konkurrenz, aber muss sich das ganze Land wegen ein paar Prozent Unterschied am Gängelband führen lassen? Solche Differenzen müssen sich doch am Verhandlungstisch ausräumen lassen. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass die GDL mal tüchtig die Muskeln spielen lässt, um im Kampf mit der großen EVG um Mitglieder zu punkten. Streiken aus purem Egoismus - auf dem Rücken der Fahrgäste und der Wirtschaft.

Das Vorgehen der Lokführer provoziert zudem ein Eingreifen der Politik und heizt die Debatte über die Tarifeinheit neu an. Deutschlands oberstes Arbeitsgericht hatte es ausdrücklich zugelassen, dass Spartengewerkschaften wie die der Lokführer, Piloten oder Ärzte eigene Tarifverträge abschließen. Der Grundsatz "ein Betrieb, ein Vertrag" war aufgehoben. Arbeitgeber und Gewerkschaftsbund verlangen seitdem aus Furcht vor Streikwellen und einer Zersplitterung des Tarifsystems immer wieder gesetzliche Beschränkungen für die Konkurrenz von Gewerkschaften. Es wäre plausibel, wenn der Gesetzgeber diesen Forderungen nachgibt, sollten sich GDL-Chef Claus Weselsky und Co. weiterhin so rücksichtlos gebärden. Dann hätte sich die Gewerkschaft selbst um ihre Macht gebracht.

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