Alles bloße Psychologie

Meinung · Man möchte es kaum glauben: Der Aufwärtstrend an den Börsen der Welt ist kaum aufzuhalten. Unbeeindruckt von den aktuellen Nachrichten streben die Kurse nach oben. Meldet ein Unternehmen Zahlen über den Erwartungen, geht mit dem eigenen Kurs möglichst gleich auch noch der der gesamten Branche nach oben. Negativmeldungen dagegen können dem robusten Markt kaum etwas anhaben

Man möchte es kaum glauben: Der Aufwärtstrend an den Börsen der Welt ist kaum aufzuhalten. Unbeeindruckt von den aktuellen Nachrichten streben die Kurse nach oben. Meldet ein Unternehmen Zahlen über den Erwartungen, geht mit dem eigenen Kurs möglichst gleich auch noch der der gesamten Branche nach oben. Negativmeldungen dagegen können dem robusten Markt kaum etwas anhaben. Nokia ist zwar für den ersten Quartalsverlust in 16 Jahren stark abgestraft worden, den Gesamtmarkt kratzt das wenig. Der Dax strebt weiter in Richtung 6000, der Dow Jones bewegt sich hartnäckig um die 10 000er-Marke.Die Anleger zeigen Optimismus abseits jeder Realität. Die größte Rezession seit dem Krieg scheint bereits vergessen. Jetzt denken wir wieder positiv: Die Konjunkturdaten fallen weniger schlecht aus als noch im Frühjahr angenommen, die Wirtschaft zieht wieder an. Alle wollen glauben, dass es wieder aufwärts geht. Und dafür ist eine Börsenrallye zum Jahresende die beste Bestätigung. Also steigen auch noch die zu spät Gekommenen auf den Zug auf, kaufen Aktien, und treiben damit die Hausse weiter an.Damit strafen sie all jene Lügen, die bereits im Sommer vor einem Rückfall der Börse gewarnt haben. Denn seit dem Frühjahr zeigten die Kurse den typischen Verlauf einer Rezession: die V-Form. Statt durch gesunde Unternehmen ist die gewöhnlich von überschüssigem Geld getrieben. Als die Börse im März wieder anzog, befand sich Deutschland mitten in der Rezession: Stützungsprogramme für Unternehmen, Kreditklemme und Investitionsstau beschäftigten die Wirtschaft. Dass gerade in solchen Zeiten die Kurse steigen, hat schon Börsen-Altmeister André Kostolany beobachtet. Bei flauen Geschäften und geringen Investitionen wird dem Geld langweilig. Angesichts historisch niedriger Zinsen bietet die Börse die besten Chancen.Doch auch über den Sommer hinweg hat sich die Börse robust gezeigt. Die Konjunkturpakete suggerierten einen Aufschwung, der Export zog wieder an, die Prognosen mussten korrigiert werden. Ideale Bedingungen für eine Börsenrallye: Psychologie ist hier bekanntlich alles.Doch trotz des Optimismus: Die Stimmen der Warner werden lauter - und sie haben Recht. Noch ist der Aufschwung auf Sand gebaut. Der Konsum ist durch Kurzarbeit gestützt, viele Betriebe arbeiten sich am Konjunkturpaket ab. Dass viele Betriebe um Umstrukturierungen und Entlassungen nicht herumkommen werden, liegt auf der Hand. Wer jetzt an der Börse noch auf schnelle Gewinne hofft, muss einen wirklich sehr robusten Optimismus haben.

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