Kinofilm „Parasite“ aus Südkorea Wer nutzt hier wen aus?

München · Die einen sind bitterarm, die anderen reich. So wie in dem bitterbösen Gesellschaftsdrama „Parasite“ aus Südkorea, das von der Tragikomödie in blutigen Horror abgleitet.

  Park So Dam (links) als Ki-Jung und Choi Woo Shik als ihr Bruder Ki-Woo in einer Szene des Films „Parasite“

Park So Dam (links) als Ki-Jung und Choi Woo Shik als ihr Bruder Ki-Woo in einer Szene des Films „Parasite“

Foto: dpa/-

Es ist ein bitterarmes Leben. In einer schäbigen Kellerwohnung fristen die Kims ihr Dasein, verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit dem Falten von Pizzakartons. An Schule oder Universität für Ki-Woo und seine Schwester Ki-Jung ist nicht zu denken – kein Geld. Da bekommt Ki-Woo eine einmalige Chance: Er kann der Tochter der reichen Parks Nachhilfe in Englisch geben, in einer wohlhabenden Gegend.

Nach und nach gelingt es Ki-Woo, seine ganze Familie im Haushalt der Parks einzuschleusen – mit dramatischen Folgen. „Parasite“ nennt der Südkoreaner Bong Joon Ho seinen gesellschaftskritischen Film – ein vielschichtiges Drama zwischen Komik und blutigem Horror, das beim Filmfestival in Cannes die Goldene Palme gewann.

Die Kims leben ganz unten in der Gesellschaft, knapp über dem Gestank der Abwasserkanäle, der auch ihrer Kleidung anhaftet. Mit schwarzem Humor versuchen sie, Selbstachtung zu bewahren, auch wenn regelmäßig die Betrunkenen vor ihrem Kellerfenster urinieren. Das luftige Haus der Parks dagegen liegt auf einer Anhöhe, mit idyllischem Garten. „Parasite“ zieht seine Spannung aus diesen Gegensätzen, die aber nie platt daherkommen. Dank der raffiniert gezeichneten Figuren wird deutlich, dass die Umstände ihres Lebens wenig über die Menschen an sich aussagen. Ohne weiteres nimmt man Ki-Woo (Choi Woo Shik) den Studenten aus gutem Hause ab, ebenso wie seiner Schwester. Scheinbar mühelos überwinden sie die Gräben zwischen den Gesellschaftsschichten und die damit verbundenen Klischees – solange das Geheimnis ihrer Herkunft gewahrt bleibt.

Wenn die Kims in die Welt der Reichen eindringen, geschieht das erst vorsichtig, staunend. Bald stellen sie sich die nicht unberechtigte Frage: Warum können wir nicht so leben? Wie Parasiten heften sie sich an die Parks, verdrängen gnadenlos und ohne Mitleid die alten Angestellten und nisten sich in der Nobelvilla ein. „Wer hier der Parasit ist, hängt auch von der Sichtweise ab“, sagte der Regisseur im Interview der Deutschen Presse-Agentur während des Filmfestivals in Cannes. „Auch die reiche Familie kann der Parasit sein, denn sie zieht Nutzen aus der körperlichen Arbeit der Armen.“ Und das, ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass ihre Bediensteten auch Menschen mit Sehnsüchten, Hoffnungen und Gefühlen sind. Ein Fehler, wie sich noch herausstellen wird.

Jong Boon Ho hat sich eine fintenreiche Geschichte ausgedacht, die von einer schwarzen Tragikomödie in ein blutiges Drama abgleitet. Der Horror entfaltet sich subtil aus dem Umstand heraus, dass Familien in völlig unterschiedlichen Lebensumständen auf einmal so eng beisammen sind. Die reichen Parks und die bitterarmen Kims. „Wer kann inmitten einer solchen Welt mit dem Finger auf eine Familie zeigen, die sich im ewigen Kampf ums Überleben abrackert, und diese Menschen Parasiten nennen?“, fragte der Filmemacher in einem Regiekommentar. „Es ist nicht so, dass sie von Beginn an Parasiten waren. Sie sind unsere Nachbarn, Freunde und Kollegen, die lediglich an den Rand des Abgrunds gedrängt wurden.“ Bong Joon Ho nennt seinen Film „eine Komödie ohne Clowns und eine Tragödie ohne Bösewichte“.

Der Filmemacher, bekannt für Werke wie „Snowpiercer“ oder das Monster-Familiendrama „Host“, verbindet mit seinem Werk auch Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen. „Südkorea hat sich in den vergangenen Jahren wirtschaftlich stark entwickelt. Dadurch ist auch der Unterschied zwischen Arm und Reich immer größer und sichtbarer geworden“, stellt Bong Joon Ho fest. Ein Wechsel zwischen den Klassen – nur schwer möglich. Der Regisseur will mit seinem Film aber niemanden anprangern. „Mir geht es um keine Schuldzuweisung, sondern um die Frage, was man besser machen könnte.“

(dpa)
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